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Christian Gottfried Körner
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Christian Gottfried Körner. Quelle: Könnecke 1905
 



Mit Körner führte ich nach wie vor einen regen Schriftwechsel. Wir hatten uns gegenseitig das „Du“ angeboten, weil das freundschaftliche, tiefe Gefühl füreinander gar nichts anderes mehr zuließ. Anfang Juli bot sich endlich die Gelegenheit, gemeinsam mit Huber, Göschen und den beiden Frauen, im wenige Stunden entfernten Rittergut Kahnsdorf ein Treffen mit Körner zu arrangieren, weil dieser dort bei Verwandten zu Besuch war.
 
Gottfried Körner war als Sohn eines Leipziger Theologieprofessors in einer vermögenden Familie aufgewachsen. Das Studium führte ihn aufgrund seines Wissensdurstes fast durch alle Fakultäten. Nach dem Studium war er als Privatdozent der Philosophie und Rechte an der Leipziger Universität tätig. Die meisten europäischen Länder hatte er als Begleiter eines jungen sächsischen Grafen bereist und wurde nach seiner Rückkehr als Jurist an das sächsische Konsistorium nach Dresden berufen. Nebenher fand er noch die Zeit, als Assessor an der Landesökonomie-Manufaktur und als Handelsbevollmächtigter tätig zu sein.
 
In seiner streng lutherischen Erziehung war er, wie ich, lange unterdrückt worden und erst jetzt, nach dem rasch aufeinander folgenden Tod seiner Eltern, war er zum ersten Male frei und unabhängig. Seine Braut Minna war von jeher von seinen Eltern als „Kupferstechermamsell“ abgelehnt worden, doch nun stand der Eheschließung nichts mehr im Wege.
 
Wie sehr hatte ich diesen Augenblick herbeigesehnt! Endlich stand er vor mir, der, der mir bisher nur auf dem Papier so nah gewesen war wie noch keiner!
Ein Mensch aus Fleisch und Blut, der sich mit mir in überschwänglichen Worten so schwärmerisch verbinden konnte: mein Freund Körner! Wir fielen uns um den Hals, wie ein Ehepaar, das nach langer Trennung wieder vereint war und waren überglücklich, einander endlich in die Arme schließen zu können.
 
Wir verlebten gemeinsam einen schönen Tag in Kahnsdorf. Gleich nach meiner Rückkehr in Leipzig schrieb ich einen Brief an ihn, in dem ich noch einmal meine Gefühle beschrieb, die mich ganz und gar übermannt hatten. Der gestrige Tag würde mir unvergessen bleiben, solange ich lebe. So intensiv waren meine Gefühle, dass er sie eigentlich hätte spüren müssen – wie von Geistern übertragen. Die herrlichen Zukunftsperspektiven, die ich vor uns liegen sah, waren nicht nur Schwärmereien, sondern stellten für mich eine Gewissheit dar. Das Vergangene, das mich einst niederdrückte, hatte mich stark gemacht! So war aus der verschwendeten Zeit eine nützliche geworden. Obwohl ich ganz von vorne anfangen musste, befand ich mich nun auf dem richtigen Wege zum höchsten Ziel. 
 kahnsdorf_1785

Kahnsdorf 1785
 



So viele schöne Worte hatte ich für ihn, dass es mir überaus peinlich war, ihm etwas über meinen immer noch desolaten finanziellen Nullpunkt berichten zu müssen.
 
Schon wieder saß ich ganz auf dem Trocknen, wie ein Fisch ohne Wasser, denn die Kosten waren wieder einmal höher als geplant.
 
Die restlichen Gelder aus Mannheim, die ich noch für vorbestellte Bücher zu bekommen hatte, sollten erst später ausgezahlt werden. Schwans Leipziger Vertreter, der Buchhändler Götz, verlangte mit einem Male Geld von mir. Ich war wütend auf Schwan, der ohne mich zu fragen eine Neuauflage des Fiesko herausgebracht hatte.
 
Ich sah mich nicht länger an Schwan gebunden und wollte nun selber eine neue Auflage mit bisher ungedruckten Änderungen herausbringen. Parallel dazu sollte ein weiterer Akt der Räuber erscheinen, mit dem Titel: "Räuber Moors letztes Schicksal". Göschen sollte beides verlegen und Körner die geschäftliche Abwicklung übernehmen, dem ich auch die Honorierung überließ.
 
Körner wusste sofort, dass dies ein in der Not geborener Vorschlag war, und er schrieb mir sogleich zurück, ich hätte ihm doch bereits in Kahnsdorf ein Wort sagen können. Nun sollte ich angeben, wie viel Geld ich für die nächste Zeit brauchte. Körner war überzeugt davon, dass ich später einmal für mich selber sorgen könnte. Für ein Jahr jedoch wollte er – zu seiner Freude - dafür sorgen, dass ich die Notwendigkeit des Brotverdienens vergessen könnte.
 
So ließ er mir umgehend die nötige Summe anweisen, damit ich davon meine laufenden Auslagen decken konnte. Ich konnte kaum glauben, wie mir geschah. Zum ersten Mal lebte ich ohne finanziellen Druck, und dafür war ich Körner unendlich dankbar. Der betonte ausdrücklich, dass er mit Menschen, die ihm etwas bedeuten, nicht über Geld reden würde, weil ihn dies anekelt und Geld für ihn nur eine geringe Bedeutung hätte. Wir wären schließlich Freunde, und ich hätte sicherlich im umgekehrten Fall genau wie er gehandelt. 
 
Wenige Wochen später heiratete Körner seine Minna in Leipzig. Huber und ich gaben dem Brautpaar zu Pferd das Geleit, bis wir die halbe Strecke nach Dresden hinter uns gelassen hatten. Ausgelassen und ungestüm ritten wir auf dem Rückweg durch die Felder. Dabei fiel ich vom Pferd und verstauchte mir die Hand, so dass ich eine Zeit lang nicht schmerzfrei schreiben konnte.
 
Dies Unglück teilte ich Körner sofort mit, auch dass es mich traurig machte, an den alten Treffpunkten in Gohlis vorüberzugehen, wo wir doch gemeinsam so glückliche Stunden verbracht hatten. Ich musste zu ihm fahren! Ich wusste, dass ich nur durch den Umgang mit ihm die Ruhe finden würde, die ich für meine Arbeit brauchte. Sofort antwortete Körner und lud mich zu sich und Minna nach Dresden ein.

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