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Karlsbad


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Karlsbad. Quelle: Piana, Friedrich Schiller. Volksverlag, Weimar
 



Also machten wir uns Anfang Juli 1791 auf den Weg, und ich ertrug so gut es ging die lange Kutschfahrt. Lotte und Karoline begleiteten mich, und aus Jena hatte mir Stark seinen Assistenten zur Seite gestellt, den jungen Doktor Eicke, der mich ständig medizinisch betreute.
 
In Karlsbad wurde ich von Göschen empfangen, der dort in Begleitung seiner Schwägerin weilte, und ich konnte in den Tagen unseres Beisammenseins unsere Beziehung aufs Herzlichste vertiefen. Die Kur, die einen Monat dauerte, beendete ich, ein wenig gestärkt, Anfang August. Danach reisten wir über Rudolstadt zurück nach Jena. Die Rückreise war beschwerlicher, als gedacht, denn in den zwei Tagen, die wir bis Rudolstadt benötigten, wurden wir von heftigen Sommergewittern und starkem Regen begleitet, die die Luft schwül und für mich zum Atmen noch schwerer machte.
 
Jedes Stoßen des Wagens, jeder Stein auf dem Weg, wurde zu einer Tortour, denn jede Unebenheit der Straße verstärkte die Stiche in meiner Brust und auch meine Ängste, und plötzlich entstand das alte Schreckgespenst des nahenden Todes wieder in meiner Einbildung. Nichts vermochte mich umzustimmen, auch nicht Doktor Eikes beruhigende Worte.
 
Karoline war in Rudolstadt geblieben und wollte mit ihrem Mann zusammen nach Kassel reisen, wo er Geschäftliches zu erledigen hatte.
 
Unseren ursprünglichen Plan, sogleich nach Erfurt zu fahren, mussten wir umstoßen, und wir beschlossen, erst einmal in Jena Halt zu machen und Professor Stark aufzusuchen. Dieser war sehr erfreut, mich ein wenig erholter wiedersehen zu dürfen und verordnete mir weitere Diätmaßnahmen.
Da mir meine Untätigkeit ohnehin zur Last geworden war, und ich mich gezwungenermaßen schon so lange zügeln musste, beschloss ich meine düstere Stimmung mit einer geistigen Tätigkeit zu vertreiben. Sie sollte mir auch meine gewachsene Unzufriedenheit nehmen, die ich sonst nicht kannte.
Also begann ich vorsichtig damit, meine Arbeiten wieder aufzunehmen. Da ich wusste, dass Göschen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, versuchte ich mich zuerst an den Arbeiten des Kalenders, doch das fiel mir schwerer, als ich anfangs gedacht hatte. Nur langsam kam ich voran, und von den ursprünglich geplanten 12 Bogen konnte ich lediglich 5 Ende September an Göschen senden.
 
Wieland hatte endlich auf mehrfaches Bitten seine Zusage gegeben, für den Kalender eine Einleitung zu schreiben, die dieser schließlich Anfang Oktober mit 2 Bogen an Göschen schickte.
 
Auch an Huber und Körner hatte ich Lotte zwischenzeitlich schreiben lassen, er möge Göschen, wenn möglich, mit Beiträgen unterstützen. Huber erwiderte meine Bitte mit einer Einladung nach Mainz, der ich jedoch nicht nachkommen konnte.
 
Für die Neue Thalia, deren Erscheinen für Januar 1792 geplant war, hatte ich Die Zerstörung von Troja und die Übersetzung des zweiten Buches von Vergils "Aeneis" vorgesehen, außerdem sollte dort meine Abhandlung Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen erscheinen. Weitere Beiträge waren „Erinnerungen an die Schweiz von einem jungen Maler“ von Karl Gotthard Graß und Heimbert Paul Friedrich Hinzes „Ogier von Dänemark“.
Körner, den ich zuvor mit meiner Vergil-Übersetzung der Zerstörung von Troja bekannt gemacht hatte, versprach mir eine ausführliche Kritik und bestärkte mich in meinem Vorhaben, ein großes, episches Gedicht zu verfassen und wiederholte damit seine Anregung, die er bereits im Jahre 1788 ausgesprochen hatte. Das von ihm vorgeschlagene Thema Friedrich II. kam nach langer Überlegung für mich nicht in Frage, weil ich an diesem Charakterbild keinen Gefallen finden konnte.
 
Vielmehr schien mir Gustav II. Adolf von Schweden als zentrale Figur einer solchen Heldendichtung ein geeigneterer Kriegsheld zu sein, der als freiheitlich denkender Herrscher meinem Ideal am Nächsten kam. Körners Vorschlag, ein allgemein gehaltenes Thema zu wählen, konnte ich nur ablehnen, weil dies zu unpoetisch gewesen wäre


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