Schenkung aus Dänemark
Friedrich Christian von Augustenburg, gemalt von Anton Graff
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Heinrich Carl von Schimmelmann, ca. 1762. Quelle: Wikipedia
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Lotte und ich waren froh wieder in Jena zu sein, denn nur hier, in unseren eigenen vier Wänden, fanden wir die Ruhe, nach der wir uns mittlerweile gesehnt hatten. Hier lebten wir sehr zurückgezogen. Lotte ging selten aus und verkehrte lediglich bei Sophia Friederike Marianna von Segner, zu der sie ein inniges Verhältnis aufgebaut hatte. Zu Paulus und seiner Frau unterhielten wir ebenfalls einen herzlichen Kontakt.
Unser gemeinschaftliches Mittag- und Abendessen, mit spärlichen Mahlzeiten, war die einzige willkommene Abwechslung, die uns Zerstreuung und angeregte Gespräche in einer unterhaltsamen Runde brachte. Friedrich Immanuel Niethammer, Magister der Theologie und Student der Philosophie in Jena, befand sich in diesem Kreis.
Um die
Neue Thalia in Schwung zu bringen, hatte ich Göschen gebeten, ihn hier gegen entsprechende Bezahlung mit Hilfsaufgaben zu betrauen, um ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, sich eine unabhängige Existenz zu schaffen. Niethammer sollte nötige Korrekturen und den Druckvorgang überwachen, der sich dadurch beschleunigen konnte. Zwecks besserer Überwachung vor Ort, hatte ich Göschen vorgeschlagen, den Jenaer Drucker Göpferdt zukünftig mit dem Druck zu beauftragen, was dann auch umgesetzt wurde.
Zu unserem Kreise gehörten außerdem Bartholomäus Ludwig Fischenich, Student in Jena, Friedrich Konstantin von Stein, Charlotte von Steins Sohn, und Johann Karl von Fichard, sowie sein Hauslehrer Ludwig Friedrich Göritz, die ebenfalls in Jena matrikuliert waren. Nach dem Essen spielten wir Karten, was ein willkommenes Mittel war, um mich von meinen üblen Krankheitserscheinungen abzulenken, die sich verstärkt nach den Mahlzeiten einzustellen pflegten.
Meine immer wiederkehrenden Krämpfe verboten mir auch weiterhin jede Art von Anstrengung. So erfüllte mich die Sorge um meine und Lottes Zukunft mit jedem neuen Tag mehr. Bald schon müssten wir entscheiden, ob wir das wenige Geld, das uns blieb, in die Apotheke oder in die Küche tragen sollten.
Anfang Dezember 1791 erhielt ich eine Botschaft, die mir geradezu himmlisch erschien, denn die Hilfe, die man mir hier in Deutschland nicht gewähren wollte oder konnte, kam völlig unerwartet aus Dänemark. Das Land, welches schon Klopstock mit Mitteln unterstützt hatte, damit dieser seinen “Messias” vollenden konnte, bot mir nun auf die Dauer von drei Jahren eine Unterstützung von jährlich 1000 Talern als Schenkung an, damit ich mich von meiner Krankheit völlig erholen konnte.
Wieder waren es mir völlig unbekannte Menschen, die mir ihre Hilfe anboten, und das ohne irgendeine Bedingung daran zu knüpfen. Man bot mir zwar an, dass ich in Kopenhagen leben könnte, ließ mir jedoch in meiner Entscheidung völlige Freiheit.
Da meine Krankheit im Moment keine weite Reise zuließ, plante ich, vielleicht in ein oder zwei Jahren nach Dänemark zu reisen, um Prinz Friedrich Christian von Augustenburg und dem Grafen Ernst Heinrich von Schimmelmann, die mir diese Unterstützung anboten, persönlich danken zu können.
Carl Leonhard Reinhold nach Johann Heinrich Lips - Theo Piana: Friedrich Schiller. Volksverlag, Weimar 1957.
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Reinhold hatte mir im August von einer Totenfeier berichtet, die in Dänemark auf dem Landsitz des Finanzministers Schimmelmann im Sommer zu meinem Andenken stattgefunden hatte, weil man glaubte, ich sei verstorben. Zu dieser Feier hatte Reinholds Verbindung zu dem dänischen Dichter Jens Baggesen geführt, die aus einem lebhaften Schriftwechsel bestand. Baggesen galt als die wichtigste Kontaktperson, die Beziehungen zu deutschen Illuminaten herstellte. Da Reinhold als Verfechter illuminatischer Politik und radikaler Aufklärung geschätzt wurde, hatte der Prinz von Augustenburg versucht, Reinhold einen Lehrstuhl in Kopenhagen zu verschaffen, jedoch erfolglos.
Am 5. August 1790 hatte der, die deutsche Literatur und Kants Philosophie liebende Baggesen, zusammen mit seiner Frau Sophie, Weimar und Jena besucht und durch Wielands Vermittlung auch Reinhold und mich kennen gelernt. Baggesen, der genau wie der Prinz Friedrich Christian seit 1787 begeisterter Anhänger des Illuminatenordens war, wurde durch Reinhold Bode vorgestellt, der ihm im August 1790 die Bekanntschaft mit dem Ordensgründer Weishaupt in Gotha vermittelte. Dort war Weishaupt nach seiner Flucht durch Ernst II. aufgenommen worden, und wie ich in Erfurt erfahren hatte, war die von ihm erhoffte Professorenstelle in Jena seinerzeit durch mich besetzt worden.
Bei Baggesens damaligem Besuch hatte ich aufgrund von Zahnschmerzen persönlich keinen so guten Eindruck hinterlassen, denn Baggesen war etwas enttäuscht von mir abgereist, blieb jedoch auch weiterhin Bewunderer meiner Werke, wie auch der Erbprinz von Schleswig-Holstein-Augustenburg, der ebenfalls philosophischen Interessen nachging.
Reinhold war es, der Baggesen über meine durch die Krankheit geprägte Situation unterrichtet hielt und dessen Bericht in Kopenhagen die Schenkung ausgelöst hatte. Ich konnte mich nur bei allen Beteiligten bedanken, besonders aber bei Baggesen, dessen Einsatz mich heiterer in die Zukunft blicken ließ.
In gleichem Maße erkenntlich zeigen konnte ich mich nicht, wohl aber sollte sich der Keim, welcher mit dieser Schicksalswendung für mein neues Schaffen gelegt worden war, zu einer Blüte für die Menschheit entfalten; denn nur dort hatte ich eine Schuld abzutragen.
Niemals würde ich vergessen, was mir durch diese freundschaftlich gestimmten Menschen Gutes widerfahren war, denn durch sie war mir der Wiedereintritt ins Leben ermöglicht worden.
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