Ende August 1794 war Lotte mit unserem „Goldkarl“ nach Rudolstadt geflüchtet, weil in Jena eine Impfung mit Menschenpocken stattfand und wir eine Ansteckung befürchteten. Der Impfung musste sich auch Humboldts Sohn Wilhelm unterziehen. Doch der „kleine Bill“, wie wir ihn nannten, zeigte keinerlei Impfreaktionen und nach neun Tagen lediglich eine leichte Entzündung. Mitte September erfolgte dann eine zweite Impfung, und ich schrieb an Lotte, dass sie nicht vor dem 10. Oktober zurückkehren solle.
Ich fühlte mich alleine und fand es schrecklich, fünf Wochen ohne meine Lieben auskommen zu müssen. Vor der Abreise nach Rudolstadt hatte Karl damit begonnen, am Leitband zu gehen. Er übte das Sprechen, wobei sein ganzer Wortschatz aus „HOTTO“ bestand. Doch wo seine fröhliche Stimme sonst den ganzen Tag durchs Haus schallte, war nun Stille, die ich nur schwer ertragen konnte.
Außer Humboldt sah ich keine Menschenseele und verließ auch nicht das Haus. Stattdessen schlief ich wie gewöhnlich bis zum Mittag und ließ mir dann Eierkuchen oder Kartoffeln bringen.
Manchmal nickte ich abends ein, ohne gegessen zu haben, da ich beim Schreiben und ohne Gesellschaft wenig Appetit hatte.
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