Ich stellte fest, dass es eine Verwandtschaft zwischen den glücklichen Gedanken und den Gaben des Glückes gibt, da beide vom Himmel fallen und betrachtete auch die herrlichen Rosen und Lilien, die wieder im Garten blühten, als himmlische Gabe.
Obwohl sich Goethe oft ganz in der Nähe Jenas, auf seinem Gut in Oberroßla aufhielt, war mein Warten auf ihn vergeblich. Sogar meinen einzigen Ausgleich, das samstägliche Kartenspiel mit Niethammer und Schelling hatte ich in der Hoffnung abgesagt, ihn bei mir sehen zu können. Als sein Besuch ausblieb, war ich sehr enttäuscht darüber.
Ich hatte den II. Akt der Maria Stuart begonnen, als Lotte und Professor Stark mir eine neue Schwangerschaft bestätigten, die schon weit fortgeschritten war, und ich vermutlich schon im Oktober Vaterfreuden entgegensehen durfte. So mussten wir beide etwas Neues gebären, nur würde sie mir vermutlich zuvorkommen. Lottes Schwangerschaft machte mir Sorgen, denn sie litt, wie schon bei den vorherigen, immer wieder an Krämpfen, die mich sehr beunruhigten.
Goethe hatte Christiane und seinen Sohn nach Jena geschickt, um in absoluter Ruhe arbeiten zu können. Der kleine August besuchte uns und machte meinen Buben recht viel Freude.
Um nicht auch noch in der kühleren Jahreszeit auf Goethes Gesellschaft und Urteil verzichten zu müssen, plante ich schon jetzt, die Wintermonate in Weimar zu verbringen, aber es war mir auch ein Bedürfnis, die theatralische Anschauung stets vor Augen zu haben. Ein tiefes Verlangen pochte in mir, Goethe meine Arbeit vorzulegen und sein Urteil zu hören, und ich fühlte mit jedem Tag mehr, wie sehr ich den Gedankenaustausch mit ihm brauchte, weil hier niemand sonst eine gleichwertige Stimme besaß.
Der Herzog hatte nach der Wallenstein-Aufführung im April den Wunsch geäußert, ich möge mich doch öfter in Weimar aufhalten, doch durch nichts hatte er diesen Wunsch untermauert. Nun war er in Ruhla und wurde Ende des Monats zurückerwartet. Dann wollte ich ihn um eine Erhöhung meiner Bezüge bitten, um die Mehrkosten zu decken, die ich bei einem Umzug nach Weimar zu erwarten hatte. Die Lebenshaltungskosten waren dort deutlich höher als in Jena.
Charlotte von Kalb hatte mir ihre freiwerdende Wohnung in der Windischengasse angeboten, doch ich wollte mich nach einem Hause in der Nähe des Marktes erkundigen, weil von dort die Entfernung zu Goethe und meinem Schwager gleich nah war.
Mitte August rückte der Abgabetermin für die Beiträge des nächsten Musen-Almanachs für das Jahr 1800 wieder in erschreckende Nähe. Ich versuchte, alle nur möglichen Arbeiten dafür zusammen zu bringen, und besonders das epische Gedicht „Die Schwestern von Lesbos“ von Amalie von Imhoff hatte ich dafür vorgesehen.
Leider wurde mir nur zu schnell bewusst, dass die schon vorhandenen Gedichte den Almanach nicht füllen konnten, und ich beschloss, mein Gedicht Das Lied von der Glocke fortzuführen, dessen Vorarbeiten ich bereits im Jahre 1797 begonnen hatte. Es folgten der Spruch des Konfucius und Die Erwartung. Weitere Beiträge von Herder, Gries, Knebel und Kosegarten wurden neben Arbeiten von Matthisson und Steigentesch noch hinzugenommen.
Nach Beendigung des II. Aktes am 26. August 1799 begann ich sogleich mit dem Glockengießerlied. So sehr ich den ganzen Sommer über gehofft hatte, Goethe in Jena zu sehen, so sehr wurde mir jetzt bewusst, dass ich ihn vermutlich erst im Herbst wiedersehen sollte. Lotte und ich hatten schon seit längerer Zeit eine Reise nach Rudolstadt geplant, und wir entschlossen uns, diese im September anzutreten.
Ich brauchte Lebendigkeit um mich, denn die Einsamkeit meiner hiesigen Existenz drückte meine Stimmung viel zu sehr.
Alles in mir strebte nach Weimar, und ich beschloss noch vor der Michaelismesse, Charlotte von Kalbs Wohnung für ein Jahr zu mieten und bereits im Januar nach Weimar zu gehen. Am 4. September teilte mir Goethe den Abschluss des Mietvertrages mit, da Charlotte von Kalb die Wintermonate in Waltershausen verbringen wollte.
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