Kotzebue
August von Kotzebue. Quelle: Wikimedia
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Dem von Goethe gegründeten Mittwochskränzchen wurde im März jäh der Todesstoß versetzt. Goethe hatte in der Vergangenheit keine glückliche Hand bei der Auswahl der Stücke gezeigt, die er dem Weimarer Publikum präsentiert hatte. Auch schien er damals selbst ein untergehender Stern am Dichterhimmel gewesen zu sein. Ich hingegen befand mich am Zenit dieses Himmelsgewölbes und wurde von vielen Menschen aus nah und fern, bewundert und gefeiert.
Zu diesen Bewunderern gehörte auch August von Kotzebue, ehemaliger Direktor des Wiener Hoftheaters, der vor kurzem aus Estland an seinen Geburtsort Weimar zurückgekehrt war. Kotzebue plante, für mich an meinem Namenstag, dem 5. März, eine besondere Ehrung in der Stadthalle zu inszenieren.
Die Beziehung zwischen Goethe und ihm war spannungsreich, denn Goethe vermied einen persönlichen Umgang mit ihm und unterstrich dieses Missverhältnis noch damit, dass er Kotzebues Stücke, die ihm dieser für die Weimarer Bühne zur Verfügung gestellt hatte, gnadenlos zusammenstrich, ohne mit dem Verfasser auch nur die geringste Rücksprache zu nehmen.
Die Werke Kotzebues waren beliebt und füllten die herzogliche Kasse. Deshalb gab Goethe seine Zusage, Kotzebues neuestes Lustspiel „Die deutschen Kleinstädter“ auf die hiesige Bühne zu bringen, kürzte es jedoch dermaßen, dass Kotzebue sich beleidigt fühlte, zumal die Stücke der von Goethe und mir verhassten Brüder Schlegel, ungekürzt und mit der größten Sorgfalt aufgeführt wurden.
Kotzebue fühlte sich außerdem verletzt, weil ihm zuvor der Zugang zu Goethes Abendgesellschaft verwehrt worden war, für den sich einige Mitglieder und besonders ein bestimmtes Hoffräulein eingesetzt hatten und was Goethe rigoros ablehnte. Goethe sah in meiner Ehrung einen Racheakt Kotzebues, der angeblich versuchte, durch diese Aktion einen Keil zwischen mich und Goethe zu treiben, weil er ihm quasi mit meiner Ehrung den Lorbeerkranz entziehen und diesen auf mein Haupt legen wollte.
Mit erheblichem Aufwand waren die Vorbereitungen betrieben worden, und da für die Ehrung das Stadthaus vorgesehen war, sollte zwei Tage vorher die Dekoration angebracht werden, doch der Bürgermeister verweigerte mit einem Mal wegen angeblicher Beschädigungsgefahr den Zutritt.
Da viele Damen aus den ersten Häusern mit den Vorbereitungen für diesen Tag eifrig beschäftigt waren, wie zum Beispiel das Erlernen von Rollen verschiedener Stücke aus meiner Feder, die zum Besten gegeben werden sollten, entzweite die Absage der Ehrung die Mittwochsgesellschaft wie ein Erdbeben, zu der Ende März viele nicht mehr erscheinen wollten.
In der ganzen Angelegenheit hatte ich versucht, diplomatisch zu bleiben, denn ich stand zwischen zwei Stühlen. Durch die Aktion hatte sich Goethe nicht beliebter gemacht, und wir versuchten beide den Vorfall so schnell wie möglich zu vergessen.
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