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Theater, Theater


Das Haus in Weimar war äußerlich klein, doch seine Räumlichkeiten boten uns genug Platz. Es lag am Stadtrand, an der mit Baumreihen bepflanzten Esplanade.
 
Die oberste Etage hatte ich mir als die meinige erwählt und dort, wo mein Arbeitsstuhl stand, hatte Lotte das Fenster mit roten Vorhängen versehen, damit sie die Sonne mit rötlichem Schein einfingen und wiedergaben. Dies belebte meine produktive Stimmung, genau wie der Geruch fauler Äpfel, mit denen meine Schreibtischschublade stets gefüllt sein musste und über die sich Goethe irgendwann einmal während des Wartens auf mich, sehr erschreckt hatte. Ich empfand es als Erleichterung für meine Lungen, diesen starken Geruch einzuatmen. Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, dass ich auf dieses, mir helfende Mittel nicht mehr verzichten konnte.
 
 Szene_aus_Goethes_Iphignie_Kohlezeichnung

Szene aus Goethes Iphignie Kohlezeichnung von Angelika Kauffmann , 1787 Erste Fassung des bekannten Blattes in Goethes Nachlaß, aus früherem Besitz der Luise Göchhausen. Quelle: Wikipedia
 


 
In den vergangenen Wochen war mir wenig Zeit für meine Arbeit geblieben. Trotzdem ging die Bearbeitung von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ voran, die am 15. Mai 1802 aufgeführt wurde.
 
„Alarcos“, ein von Friedrich Schlegel geschriebenes Trauerspiel, war Goethe schon im März zur Inszenierung gegeben worden, und ich wurde zwischenzeitlich mit den Leseproben betraut. Das Stück war eine seltsame Mischung aus antiken und neuzeitlichen Elementen, und ich befürchtete bei der Aufführung eine totale Niederlage.
 
Am 29. Mai 1802 wurde es uraufgeführt. Die anfänglich völlige Passivität des Publikums wechselte kurz vor Ende des Stückes in tobendes Gelächter, und als „der alte König, aus Furcht zu sterben gar gestorben war“, bebte das ganze Haus, nur einer, nämlich Kotzebue, applaudierte wie ein Besessener. Sofort sprang Goethe auf und rief mit drohender Gebärde: „Stille, Stille!“ Danach wurde das Stück ruhig und völlig ohne Beifall beendet.
 
Die ganze Zeit über saß ich in der Hölle, direkt neben dem Herzog in dessen Loge, der sich mit abfälligen Bemerkungen lautstark gegen das Stück aussprach. Ich hatte meine liebe Not, Goethe nicht in den Rücken zu fallen, der das Trauerspiel gut geheißen hatte, da ich ebenfalls des Herzogs Meinung vertrat.
 
Wir versuchten das Fiasko zu vergessen, und ich begann, den Don Carlos für die Weimarer Bühne einzurichten, indem ich das Drama erheblich kürzte. Nach der Aufführung am 19. Juni 1802 endete die Spielzeit in Weimar und das Ensemble gastierte bis zum 12. August in Lauchstädt und vom 17. August bis 20. September in Rudolstadt, wo das Stück ebenfalls gespielt wurde.
 
Goethe hielt mich an, auch meine älteren Werke, den Fiesko, Die Räuber und Kabale und Liebe auf die Weimarer Bühne zu bringen, da nach dem Eklat mit Kotzebue am Theater eine Zeit der Dürre angebrochen war, denn seine neuesten Stücke ließ er nicht mehr am hiesigen Theater aufführen. Schließlich verließ er die Stadt und ging nach Berlin.
 

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