schiller5

Plan der Maria Stuart


Liezen-Mayer_Elisabeth_Todesurteil

Unterzeichnung des Todesurteils der Maria Stuart durch Elisabeth. Gemälde von Alexander von Liezen-Mayer, 1879. Quelle: Wikipedia
 




So sehr ich mir gewünscht hatte, mit dem Wallenstein fertig zu sein, so sehr fürchtete ich mich jetzt vor der Leere meines Schreibtisches. Ich war gelöst von der Arbeit, die mich bisher gehalten hatte und schwebte bestimmungslos im luftleeren Raum. Fünf Wochen lang hatte ich keine Krämpfe verspürt, und obwohl die Menge der Arbeit enorm gewesen war, hatte sie meinen Geist getragen und ihn über meinen Körper gestellt.
 
Es beschlich mich das Gefühl, nie mehr etwas Vernünftiges hervorbringen zu können. Ich spürte eine immer stärker werdende Unruhe in mir, die mich dazu trieb, mir schnellstens eine neue Aufgabe zu suchen, an welche ich meine Gedanken mit neuer Freude binden konnte.
 
Von Soldaten und mächtigen Herrschern hatte ich in der Vergangenheit genug geschrieben, und ich war diesen Stoff leid. Deshalb spielte ich mit dem Gedanken, nun einen frei erfundenen Stoff ohne historischen Hintergrund zu wählen.
 
Mit Goethe zusammen war ich verschiedenen Überlegungen gefolgt. Ich schwankte zunächst zwischen der Tragödie Die feindlichen Brüder und Maria Stuart. Auch standen die Themen Die Polizei und Die Kinder des Hauses im Gespräch.
 
Doch irgendwie schien mich der historische Stoff nicht loslassen zu wollen, denn noch im April 1799 fing ich an, die Regierungsgeschichte der Königin Elisabeth und den Prozess der Maria Stuart zu studieren, und ich bat Goethe darum, mir aus der Bibliothek des Herzogs den von Friedrich von Gentz verfassten Aufsatz „Maria Stuart, Königin von Schottland“ zu besorgen, der in Viewegs Taschenbuch für 1799 erschienen war.
 
Als wir nach Jena zurückgekehrt waren, bemerkten wir einen Hauch des nahenden Frühlings, denn die Stachelbeersträucher zeigten sich bereits in einem frischen Grün. Goethe hatte sich eine Kutsche und Pferde angeschafft und kam damit oft zu mir nach Jena. Wir machten Spazierfahrten nach Burgau und Lobeda, genossen die Frühlingsstimmung und sprachen über zukünftige Arbeitsprojekte. Goethe plante eine Kunst-Zeitschrift mit Namen „Propyläen“, wozu ich die Vertragsverhandlungen mit Cotta übernahm. Doch blieb der spätere Absatz der Zeitung erfolglos und Cottas Verluste waren erheblich.
 
Mary_Stuart_Queen

Portrait der Maria Stuart, 16. Jahrhundert. Quelle: Wikipedia
 



Am 10. Mai konnte ich das Studium der Maria Stuart in meinem Garten fortsetzen, und da Goethe seine Kutsche nach Weimar zurückgeschickt hatte, weil diese von seiner Lebensgefährtin zu Pfingsten benötigt wurde, mussten wir auf weitere Ausflugsfahrten verzichten.
 
Nach einem Vorentwurf des Stückes traf ich meine endgültige Entscheidung, die Tragödie Maria Stuart zu schreiben, und ich hoffte, diese bis zum Jahresende beenden zu können, wenn sich meine Gesundheit weiterhin festigte.
 
Die Abende verbrachte ich oft beim gemeinsamen Kartenspiel mit Niethammer und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der seit Herbst 1798 Professor der Philosophie in Jena war.
 
Das anhaltende schöne Wetter beflügelte auch meinen Schaffensdrang, und ich genoss gemeinsam mit meiner Familie und Frau von Stein die Pfingstfeiertage in unserem Garten. Christiane Vulpius war mit ihrem Sohn nach Jena gereist, von wo aus sie mit Freunden weiter nach Triesnitz fuhr. Deshalb stattete uns Goethe zusammen mit dem kleinen August einen Besuch ab, über den sich vor allem Karl sehr freute.
 
Dies war für lange Zeit der vorläufig letzte Besuch Goethes, denn der Herzog Karl August benötigte ihn beim Schlossbau und hatte sich aus verschiedenen Gründen sehr ungehalten über Goethes häufige Aufenthalte in Jena geäußert.
 
Um die Wogen zu glätten und die herzogliche Gunst wieder zurück zu gewinnen, hatte sich Goethe entschieden, die nächsten Monate in seinem Gartenhaus an der Ilm zu verbringen.
 
Wie draußen das Wetter, so wechselte auch meine Stimmung. Seitdem Goethe abends nicht mehr bei mir weilte, empfand ich eine unsagbare Leere und versuchte diese mit der Lektüre der Hamburgischen Dramaturgie Lessings zu füllen.
 
Ich hatte Körner meinen Wallenstein geschickt, der für die „Allgemeine Zeitung“ einen Aufsatz darüber schreiben sollte, doch anstatt diesen in eigene Worte zu fassen, hatte er lediglich meine eigenen benutzt und mein Werk auf diese Weise in Stücke gerissen, was mir ganz und gar nicht gefiel. Deshalb wurde der Aufsatz nicht zum Druck gegeben.
 
Da mich das anhaltende Regenwetter im Hause hielt und es mir an Unterhaltung fehlte, hatte ich meine Vorarbeiten zur Maria Stuart schnell abschließen können.
 
Am 4. Juni 1799 begann ich das Opus mit Lust und Freude und hoffte, in diesem Monat schon den einführenden Teil des Stückes fertig stellen zu können.
 

Weiter

>

Home] [Timeline] [Kleine Einführung] [Virtuelle Zeitreise] [Zeitzeugen] [Impressum und Datenschutz] [Linkliste] [Kindheit und Jugend] [Marbach und Lorch] [Ludwigsburg] [Hohe Karlsschule] [Jura und Medizin] [Die Räuber] [Regimentsmedikus] [Uraufführung Mannheim] [Fiesko und Haftstrafe] [Flucht] [Enttäuschte Hoffnung] [Bauerbach] [Bühnendichter] [Kabale und Liebe] [Theaterfiasko] [Freimaurer] [Rheinische Thalia] [Margaretha Schwan] [Charlotte von Kalb] [Weimarischer Rat] [Zu neuen Ufern] [Leipzig] [Gohlis] [Christian Gottfried Körner] [Dresden] [Henriette von Arnim] [Abschied von Dresden] [Weimar] [Wieland und Herder] [Anna Amalia] [Leben in Weimar] [Teutscher Merkur] [Goethes Geburtstag] [Club der Bürgerlichen] [Bauerbach] [Familie Lengefeld] [Zurück in Weimar] [Charlotte in Weimar] [Volkstedt und Rudolstadt] [Goethe in Rudolstadt] [Rückkehr nach Weimar] [Depression und Arbeit] [Sektierertum] [Berufung nach Jena] [Jena und zwei Engel] [Kontakte und Alltag] [Besuche und Liebe] [Verlobung] [Geständnisse] [Ferien in Rudolstadt] [Mainzer Hoffnungen] [Pläne und Erwartungen] [Heirat] [Erste Zeit der Ehe] [Hystorische Memories] [Totgeglaubte leben länger] [Goethes erster Besuch in Jena] [Bürgers Gedichte] [Schwere Erkrankung] [Wallenstein Idee] [Krankheit und Pflege] [Kant und Unsterblichkeit] [Totgeglaubt] [Karlsbad] [Nachkur in Erfurt] [Schenkung aus Dänemark] [Kant Studium und Kontakte] [Reise nach Dresden] [Studentenunruhen in Jena] [Besuch aus Schwaben] [Besetzung von Mainz] [Französische Bürgerrechte] [Revolutionswehen] [Umzug und Glaubensbekenntnisse] [Guter Hoffnung] [Reise nach Süddeutschland] [Heilbronn] [Geburt des ersten Sohnes] [Ludwigsburg] [Hölderlin] [Tod von Karl Eugen von Württemberg] [Stuttgart] [Zurück in Jena] [Johann Gottlieb Fichte] [Wilhelm von Humboldt] [Die Horen] [Über die Urpflanze] [Reise nach Weißenfels] [Pockenimpfung] [Zu Gast bei Goethe in Weimar] [Wachsende Verbindung] [Universität Tübingen] [Einsame Tage und Erotica Romana] [Plan der Xenien] [Solitude Krankheit und Tod] [Besuch und grüne Tapeten] [Geburt von Sohn Ernst] [Kriegswirren] [Tod des Vaters] [Karoline und Wilhelm von Wolzogen] [Xenien und Gegengeschenke] [Wallenstein Vorstudien] [Gartenhaus in Jena] [Balladenwettstreit] [Goethe reist nach Italien] [Arbeit und Schicksal] [Gartenrichtfest] [Piccolomini und Wallensteins Lager] [Schlussstück] [Plan der Maria Stuart] [Wallenstein vor dem Königspaar] [Umzugspläne nach Weimar] [Geburt von Tochter Karoline] [Charlottes Erkrankung] [Umzug nach Weimar] [Macbeth und neuer Krankheitsschub] [Beendigung der Maria Stuart] [Die Jungfrau von Orleans] [Ruhe in Oberweimar] [Glucks Oper und Jahreswechsel] [Goethes Erkrankung und Tankred] [Die Jungfrau unter dem Panzer] [Uraufführung und Abschied] [Turandot und Mittwochsgesellschaft] [Kotzebue] [Tod der Mutter und Hauskauf] [Theater, Theater] [Erhebung in den Adelsstand] [Die Braut von Messina] [Plan des Wilhelm Tell] [Am Hofe von Weimar] [Die Braut von Messina wird beendigt] [Die natürliche Tochter] [Reise nach Bad Lauchstädt] [Arbeit am Wilhelm Tell] [Madame de Stael] [Fertigstellung des Wilhelm Tell] [Reise nach Berlin] [Geburt von Tochter Emilie] [Die Huldigung der Künste] [Phédre und Demetrius] [Schillers Tod] [post mortem] [Huldigung der Künste]