Nachkur in Erfurt

Dom in Erfurt. Foto: Gisela Seidel
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Am 23. August 1791 hatten wir uns nach Erfurt begeben, wo wir im Haus „Zum Bürgerstreit“ logierten. Die Unterkunft war in der Nähe der Statthalterei, so dass wir häufig beim Koadjutor von Dalberg zu Gast sein konnten. Dieser riet mir dazu, den Herzog Karl August anzuschreiben, ihn über meinen Gesundheitszustand zu unterrichten und um seine finanzielle Unterstützung zu bitten.
Überhaupt war meine weitere Zukunft ungewiss, denn ich war außerstande, meine Vorlesungen wieder aufzunehmen, auch konnte ich mich nicht mehr auf meine schriftstellerischen Einnahmen verlassen, die meine Krankheitszeiten nicht abdecken konnten.
Der Herzog schickte meiner Frau ein Schreiben, in dem er mir eine einmalige Zahlung von 250 Talern zugestand. Erst wenn ich durch meine Krankheit ein weiteres Jahr an der Universität ausfallen würde, wollte er sehen, was er tun könne. Wo ich in den letzten Jahren meine finanziellen Probleme für mich alleine lösen musste, hatte ich nun auch noch für die gesicherte Existenz meiner Frau zu sorgen.
Die Tage in Erfurt verliefen recht angenehm, und die Abende waren gefüllt mit interessanten Gesprächen und ein wenig Abwechslung in Gesellschaft des Koadjutors, der sich sehr freundschaftlich um mich bemühte. Mein
Don Carlos und der
Fiesko sollten in Kürze hier in der Stadt durch die Weimarer Schauspielgesellschaft aufgeführt werden, für die ich die Bühnenbearbeitung vornahm. Dies bewog mich wiederum, hier an eine Neubearbeitung zu denken, die ich jedoch wegen meiner Krankheit vorläufig nicht umzusetzen vermochte. Auch die Arbeiten an meinem
Geisterseher verlangten nach Fortsetzung, doch meine körperliche Schwäche verlangsamte mein Vorwärtskommen in jeglicher Hinsicht.
Die Krampfanfälle blieben zwar nicht aus, doch fühlte ich eine leidliche Besserung, zumal sich mein Allgemeinzustand mittlerweile gekräftigt hatte. Ich trank nach wie vor das von Stark verordnete Heilwasser, das meine Verdauung regulierte, und ich schaffte es, zwei bis drei Stunden lang zu lesen, ohne dass mich dies zu sehr anstrengte.
Ende September erreichte mich Körners glückliche Nachricht, dass ihm Minna am 23. September einen gesunden Stammhalter geboren hätte. Lotte sollte die Patenschaft übernehmen. Sein erster Sohn Johann Eduard war im Jahre 1786 im ersten Jahr gestorben und auch dieser Sohn sollte später der letzte seines Stammes sein und kinderlos sterben.
Es war mir unangenehm, Göschen nochmals um einen Vorschuss von 500 Talern bitten zu müssen, aber ich war auf dieses Geld angewiesen, gerade jetzt, wo mir andere Einnahmen nicht möglich waren. Er zahlte mir das Geld aufgrund seiner eigenen wirtschaftlich nicht gerade günstigen Lage zwar zögerlich, doch schließlich in zwei Raten aus.
Wie und wo ich den Winter verbringen sollte, wusste ich immer noch nicht. Die kalte Jahreszeit stand vor der Türe, vor der ich mich schützen musste, und wir sahen ihr mit den größten Befürchtungen entgegen. Obwohl ich trotz meiner Krankheit keine neuen Schulden gemacht hatte, drückten mich meine dringenden Zahlungsverpflichtungen mit aller Härte. Von den alten Verbindlichkeiten war ein Großteil beglichen worden, und mit Göschen wollte ich wegen der bereits gezahlten Vorschüsse bis Neujahr quitt sein.
Anfang Oktober fuhren wir zurück nach Jena, auch weil dort im Ernstfall ärztliche Hilfe in meiner Nähe vorhanden sein würde. Endlich begann ich damit, meine Umgebung wieder wahrzunehmen. Mit Geduld und Ergebung trat ich meinem Schicksal entgegen, denn die Krämpfe im Unterleib und die Schwere des Atemholens blieben mir erhalten. Sie sollten nie mehr von meiner Seite weichen!
Am 15. Oktober sollte mein
Don Carlos nach erfolgreicher Aufführung in Erfurt auch in Weimar dem Publikum präsentiert werden, doch da ich das Stück nochmals überarbeiten wollte, bat ich Goethe über Wieland um Aufschub, der dieser Bitte, wenn auch unwillig nachkam. Schließlich wurde es am 28. Februar 1792 ohne neue Bearbeitung aufgeführt.
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