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Gespräch über die Urpflanze


In Jena fanden regelmäßig Sitzungen der Naturforschenden Gesellschaft statt, und da sowohl Goethe, als auch ich anwesend waren, kamen wir im Anschluss daran zufällig ins Gespräch. Ich hatte versucht, dem Vortrag zu folgen, doch erschien mir die Art, wie dort die Natur behandelt wurde, für den Laien kaum verständlich und anziehend zu sein.
 
Goethe erwiderte, dass sie selbst dem Eingeweihten teilweise unverständlich bliebe, und dass es neben der Vorstellungsart der einzelnen Zergliederung, auch eine andere Art und Weise gäbe, sie wirkungsvoll und lebendig zu untersuchen und darzustellen. Ich bezweifelte, dass diese Anschauungsweise eine Erfahrung wäre, wie Goethe behauptete – für mich war sie Idee. Daraufhin sah Goethe mich verwundert an und bemerkte, dass es ihm sehr lieb sein würde, ohne es zu wissen Ideen zu haben, die man sogar sehen könne.
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Goethe und Schiller im Gespräch. Federzeichnung von Johann Christian Reinhart
 



Unsere Diskussion ging weiter, und ich merkte, dass ich Goethes Neugierde geweckt hatte, denn ich hatte ihn auf ein Gebiet geführt, das für ihn bisher unbekannt war.
 
Wider Erwarten und zu meiner Freude konnte ich Goethe letztendlich für meine Zeitschrift gewinnen. Er bildete gemeinsam mit mir und Körner, sowie Humboldt, Fichte, Herder und dem Cotta’schen Teilhaber Christian Jakob Zahn einen Ausschuss, der alle eingesandten Arbeiten beurteilen sollte.
 
Zum Jahresende musste ich mir eingestehen, dass die anfangs so großartig klingende Namensliste gewaltig geschrumpft war, und auch das exquisite Werk Goethes, der „Wilhelm Meister“, auf dessen Veröffentlichung ich in den Horen besonders gehofft hatte, war bereits einem anderen Verleger in Berlin versprochen worden.
 
Wohltätigkeit und Ordnung, Gerechtigkeit und Frieden sollten Inhalt und Regel dieser Zeitung sein, die schwesterlichen Horen Eunomia, Dice und Irene, die drei Himmelstore bewachenden Zeustöchter, sollten sie regieren. Frei von politischen Beiträgen sollte sie gehalten werden, ebenso die Staatsreligionen ausklammern und alleine das höhere menschliche Interesse fördern, wobei sie allem dienen sollte, was dem Geiste der Wahrheit, der Schönheit und der Freiheit im sittlich Schönen und Guten entsprach.
 
Viele der Mitarbeiter fühlten sich durch die Ausklammerung der politischen und religiösen Bereiche auch auf philosophischem Gebiet eingeschränkt.
 
Nur wollte ich verhindern, dass Partei ergriffen wurde, denn ich sah es als Recht und Pflicht im philosophischen wie im poetischen Sinne, zu keinem Volk und zu keiner Epoche zu gehören, sondern Genosse eines übergeordneten Zeitgeistes zu sein.
 
Außerdem ging es mir darum, Auseinandersetzungen zu vermeiden, die aufgrund des von Friedrich Wilhelm II. 1788 ergangenen Religionsediktes zu erwarten waren, das mit verschärften Zensurbestimmungen einherging. Dies wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht ungefährlich gewesen, und ich war mir der Macht der Zensurbehörden durchaus bewusst.
 
Eine weitere Schwierigkeit ergab sich aus Goethes Wunsch, die Beiträge anonym erscheinen zu lassen, und die Namen erst nach Ablauf des Erscheinungsjahres bekannt zu geben. Dies stieß natürlich auch bei Cotta auf argen Widerspruch, musste jedoch zähneknirschend akzeptiert werden, als Goethe in diesem Punkte nicht nachgeben wollte.
 
Die Anonymität verwirrte die Leser zusehends. Auch Kant äußerte sich aufgrund dieser Art der Publikation in einem Brief besorgt über das Journal.
 
Mit Schütz hatte ich vereinbart, zur Vorbeugung etwaiger negativer Resonanzen gegen Die Horen, Rezensionen der Monatshefte des Journals eigens durch Schriftsteller unserer Societät in der „Allgemeinen Literatur Zeitung“ erscheinen zu lassen, um damit die öffentliche Meinung nachhaltig beeinflussen zu können. Einzige Bedingung war, dass der Kritiker an der rezensierten Folge nicht mitgearbeitet hatte. Cotta musste die Kosten dieser Rezensionen tragen. 
 
Nach fünfhundertfacher Ankündigung durch eine Anzeige in der „Allgemeinen Literatur Zeitung“ vom 10. Dezember 1794 und in diversen anderen Zeitungen, was in der Gesamtheit von Cotta finanziert wurde, erschienen Die Horen erstmals im Januar 1795.
 

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