schiller5

Zurück in Jena

Nach neuntägiger Reise trafen wir am 15. Mai 1794 glücklich in Jena ein. Der kleine Karl hatte sich wider Erwarten ruhig verhalten und war uns mehr Freude als Last gewesen.
 
Meine Krankheit hielt sich leidlich im Hintergrund, und wir bezogen in heiterer Stimmung in der Gasse „Untern Markt“ unser neues, größeres Quartier im zweiten Obergeschoss. Die milde Frühlingsluft stärkte Geist und Körper, und ich schaute zuversichtlicher in die Zukunft, zumal mir die neuen Pläne, die ich gemeinsam mit Cotta bei unserem Ausflug nach Untertürkheim geschmiedet hatte, neue Hoffnung und eine gewisse innere Ruhe gaben.
 
Nach langen Überlegungen befürchtete ich, den Plan einer politischen Zeitung nicht ausführen zu können, da meine gesundheitliche Verfassung dies gar nicht zulassen würde.
 
Die Umsetzung würde für mich gleichermaßen anstrengend, wie für den Verleger riskant sein. Außerdem wollte ich mich nicht erneut in Spekulationen verstricken, zumal ich in Jena immer noch eine Verpflichtung dem Herzog gegenüber hatte, die ich nicht einfach vergessen konnte. Ich durchdachte die Möglichkeit, die Zeitung vielleicht nur vierteljährlich erscheinen zu lassen, was überschaubarer und leichter zu bewerkstelligen gewesen wäre. Ich überlegte, dass mich die Arbeit daran auf jeden Fall mehr Zeit und Anstrengung kosten würde, als an etwas anderem, weil ich dazu eigentlich gar keine Neigung verspürte. Da ich jedoch nicht gegen meine Natur handeln konnte, wusste ich genau, dass ich das Geforderte trotzdem mit aller Sorgfalt verrichten würde, zumal ich meinen Namen darunter setzen müsste.
 
Die Idee eines literarischen Journals wäre viel eher mein Fach, in dem ich mit Herz und Seele freudig Wertvolles leisten könnte. Noch dazu wäre es mir darin möglich, ohne allzu großen Aufwand bereits Bestehendes einfließen zu lassen.
 
Schon im Jahre 1792 hatte ich mit Göschen über den Plan einer solchen Zeitung gesprochen, der diesen jedoch damals aus wirtschaftlichen Erwägungen ablehnte. Nun wollte ich Cotta dafür gewinnen, und ich nutzte sein Werben um mich für die Umsetzung meiner Vision. Doch auch Cotta war von seinem Vorhaben einer Europäischen Staatenzeitung nicht abzubringen und ließ nichts unversucht, mich bei seinem Besuch in Jena dazu zu überreden. Der Tübinger Historiker Ernst Ludwig Posselt hatte diese politische Zeitung ursprünglich geplant. Gemeinsam mit ihm sollte ich die Redaktion übernehmen.
 Christiansborg_gross

Christiansborg Palace Kopenhagen. Quelle: Wikipedia
 



Sein Angebot klang verlockend, doch irgendetwas war in mir, das mir gebot, nicht darauf einzugehen. Cotta hatte die Verträge erstellt, die mir ein großzügiges Honorar und bei meinem Ableben eine Absicherung Lottes versprachen, und er verpflichtete sich außerdem, mir alle für meine Arbeit nötigen Bücher und Zeitungen zu liefern. Doch immer noch zögerte ich mit meiner Unterschrift.
 
Anfang Juni erreichte mich ein Brief des Prinzen von Augustenburg, worin er mir mitteilte, dass sämtliche Bücher und auch meine Briefe bei einem Brand des Schlosses in Kopenhagen vernichtet worden waren. Ich wollte seinen Wunsch, ihm Abschriften meiner Briefe zu senden, schnellstens erfüllen, da es leicht für mich war, diese noch einmal zu rekonstruieren. Sein Anliegen hatte mich sehr gerührt.


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