Beendigung der Maria Stuart
Der Macbeth war fertig, und ich war froh, das Trauerstück an die Theater schicken zu können.
Wir hatten uns entschlossen diesen Sommer in Weimar zu bleiben, und ich versuchte den Garten für 50 Taler jährlich für zwei Jahre an Hufeland zu vermieten, womit dieser zu guter Letzt einverstanden war.
Karoline von Heygendorff, geb. Jagemann. Joseph Karl Stieler. 1829. Quelle: Wikipedia
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Goethe war am 28. April nach Leipzig zur Messe gereist und blieb dort bis zum 16. Mai. Ich hatte die ersten vier Akte der
Maria Stuart beendet und las sie am 11. Mai bei mir zu Hause den Schauspielern vor. Die Proben des Schauspiels
Macbeth waren im vollen Gange, da die erste Vorstellung bereits am 14. Mai stattfinden sollte. Sie zerschnitten mir gewaltig die Zeit, die ich für den fünften Akt meiner
Maria benötigte. Obwohl bei der Inszenierung nicht die von mir gewünschte Besetzung spielte, wurde die Aufführung ein Erfolg. Mademoiselle Henriette Karoline Jagemann hatte sich in einer anderen Rolle zu sehen gewünscht, als in der, die ich ihr zugedacht hatte. Sie sagte Goethe deshalb kurzerhand ihre Teilnahme an den Proben ab.
Cotta war zwischenzeitlich wegen einer Untersuchung seiner Reise nach Paris in diplomatischer Mission, festgesetzt und nach Stuttgart transportiert worden, wurde aber am nächsten Tage wieder auf freien Fuß gesetzt, nachdem er eine Kaution geleistet hatte.
Im April waren die französischen Truppen über den Rhein vorgerückt und hatten die österreichische Armee gezwungen, ihre Stellungen im Ulmer Raum aufzugeben. Da sie sich auf dem linken Donauufer befanden, beherrschten sie auch teilweise das nördliche Schwaben.
Meine Krankheit hielt sich im Hintergrund, und ich unternahm des Öfteren Spaziergänge mit Meyer, der mir neben Goethe ein angenehmer Gesellschafter war.
Ich erwartete Goethes Rückkehr mit Begierde, doch sollte ich ihn, wenn überhaupt, nur einen Tag lang sehen können, weil ich mich danach mit meinem treuen Diener und Sekretär Georg Gottfried Rudolph auf das Schloss Ettersburg zurückziehen wollte, um in poetischer Einsamkeit mein Drama fertig zu schreiben.
Das Schreibquartier war mir vom Herzog vorgeschlagen worden, doch ich verließ Weimar am 15. Mai 1800 nur ungern.
Ein wenig beunruhigt hatte ich Lotte und die Kinder verlassen, denn die kleine Karoline hatte vor fünf Tagen eine Pockenimpfung erhalten, und wir warteten gespannt auf den Ausbruch der Blattern.
Ich ging trotz des anfänglich rauen Windes viel im Wald spazieren und kam mit meiner Arbeit schnell voran. Doch hatte ich im Schloss mit der Kälte zu kämpfen, weil die großen Räume trotz des Kaminfeuers kalt blieben.
Deshalb ließ ich mir meinen Schlafrock und ein paar Hemden schicken, die ich bei nächster Gelegenheit erhielt. Für meine Verpflegung sorgten in der Zeit der Oberförster Karl Friedrich Koch und seine Frau, und auch der Herzog besuchte mich völlig unerwartet. Um bei der Leseprobe der ersten vier Akte meiner
Maria Stuart am Theater zugegen zu sein, fuhr ich am 23. Mai nach Weimar zurück und war am 25. abends wieder auf der Ettersburg. Doch auch die gewählte freiwillige Einsamkeit brachte kein wesentliches Weiterkommen zustande. Ich fühlte mich einsam, ohne meine Lolo und die Kinder. Wenn ich nicht arbeitete, fühlte ich eine entsetzliche Leere um mich, und auch Lotte litt unter unserer Trennung. So kehrte ich am 2. Juni nach Weimar zurück und vollende meine Arbeit am 9. Juni 1800.
Gleich an diesem Abend erfuhr der Herzog, angeblich durch eine Beschwerde Herders, dass in meinem neuen Drama die Szene einer Kommunion dargestellt werden sollte. Herder sah außerdem in der Abendmahlszene eine Entheiligung der Kirche, was für ihn Anlass eines großen Protestes war.
Das wiederum trug dazu bei, dass Goethe in einem Schreiben des Herzogs am Folgetage gebeten wurde, doch dafür zu sorgen, dass in meinem Stück keine anstößigen Szenen aufgeführt würden. Goethe ließ sich demzufolge den 5. Akt des Dramas von mir zur Einsicht vorlegen und besprach daraufhin mit mir die Änderungen.
Am 14. Juni 1800 wurde das Stück in Weimar uraufgeführt. Zuvor waren von allerorts Zuschauer herbeigeströmt, selbst Bauern aus der Umgebung waren darunter, und das Theater war bis auf den letzten Platz besetzt.
Nach einer Arbeitszeit von siebeneinhalb Monaten hatte ich vom Publikum den Lohn erhalten, den ich mir erhofft hatte und freute mich über erste Bestellungen der Theater in Berlin und Leipzig, obwohl Goethe nach seiner Rückkehr nichts Gutes über die Leipziger Bühne berichtet hatte.
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