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Besuch aus Schwaben



Mit Körner hatte ich verabredet, dass wir in gegenseitigem Briefwechsel unsere Gedanken und Überlegungen zu meinen ästhetischen Studien austauschen wollten. Doch zuvor hatte ich den dritten und letzten Teil der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges für Göschens Kalender zu beenden, und da mich die Krämpfe nicht verließen, wusste ich manches Mal kaum noch ein und aus. So wurde der Schlussteil erst am 21. September fertig gestellt. Danach stellte ich die Mitarbeit an diesem Projekt ein. Auch die Arbeit an der Niederländischen Geschichte, die bei Crusius erscheinen sollte, wurde von mir nicht weiter fortgesetzt.
 
Die in der letzten Zeit von mir neu geschaffenen Arbeiten hatten ein verschwindendes Ausmaß. Lediglich ein erster Teil meiner Kleineren prosaischen Schriften waren soeben bei Crusius erschienen, und ich stellte diese Wieland für seine Bibliothek zur Verfügung. Dabei handelte es sich lediglich um Neudrucke bereits erschienener Schriften, wovon der zweite Teil erst im Jahre 1800 veröffentlicht wurde.
 
Nun war ich frei und wollte es für immer bleiben! Da war keine Arbeit mehr, die mir von anderen aufdiktiert wurde, mit der mich kein wirkliches Interesse verband. Trotzdem fühlte ich mich nicht ganz wohl in meiner Haut, denn es war mir noch nicht klar, mit welchen Inhalten ich diese völlig neue Geistesfreiheit füllen sollte, um zu einem Ziel zu gelangen, das für die Menschheit förderlich und von Nutzen sein könnte.
 
Ich war entschlossen, mich durch ein Gedicht mit den Musen zu versöhnen, die ich mit der Arbeit an Göschens Kalender so schändlich beleidigt hatte.
Um zur Besinnung zu kommen, hatte ich vor, in den nächsten acht bis zehn Tagen überhaupt nichts mehr zu tun. Nur völlige Ruhe und Bewegung an frischer, milder Luft sollten meinen Gesundheitszustand bessern und fördern und meinen Geist öffnen. 
 nanette

SCHILLER, Karoline Christiane: Nanette Schiller.  Stahlstich. Leipzig Weger. Quelle: Könnecke 1905



Anfang September hatte mich zu meiner großen Überraschung eine Nachricht meines Vaters aus Schwaben erreicht, in der er mir den Besuch meiner Mutter und meiner 15-jährigen Schwester Nanette für Mitte September ankündigte. Es war das erste Wiedersehen nach zehn Jahren, denn zu einem früheren Zeitpunkt war eine Reise für meine Mutter, wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes und der immer wiederkehrenden Magenbeschwerden, nicht möglich gewesen, aber auch die beiderseits eingeschränkten finanziellen Verhältnisse hatten ein früheres Treffen verhindert.   
 
Natürlich hatte sich meine Mutter in den vergangenen Jahren verändert, doch sah man ihr nicht an, dass sie noch im vergangenen Jahr mit dem Tode gerungen hatte. Nun konnte ich meiner Mutter endlich etwas Gutes tun, und ich freute mich, sie und meine Schwester, die in ihrer Art noch sehr viel kindlich ländliche Naivität ausstrahlte, nach so langer Zeit bei mir haben zu können.
 
Ende September begleitete ich die beiden nach Rudolstadt. Von dort aus besuchten sie meine Schwester Christophine und Schwager Reinwald in Meiningen und fuhren danach zurück zur Solitude.
 
Ich versprach beiden vor ihrer Abreise, sie so bald wie möglich in meiner Heimat zu besuchen. Eine innere Stimme sagte mir, ich solle meinen Vater so schnell wie möglich wiedersehen.  


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