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  Zurück in Weimar


 fschiller_karte

Postkartenmotiv Quelle: Verlag Stengel, Dresden (1884-1944)
 



Zurück in Weimar holte mich der Alltag wieder ein. Ich traf Charlotte von Kalb mit ihrem Mann. Er hatte sich gar nicht verändert, und ich unterhielt mich eine Weile mit ihm. Doch ich fühlte mich nicht wohl in seiner Gegenwart und spürte, dass sich zukünftig etwas ändern musste.
 
Im Hause Wielands verkehrte ich nach wie vor, doch der Verbindung mit seiner Tochter schenkte ich keinen Gedanken mehr. Vielleicht würde ich in sechs bis acht Jahren irgendwo ein interessantes Mädchen finden!? Heiraten wollte ich nicht mehr, wenn ich mein dreißigstes Lebensjahr überschritten hätte. Schon jetzt spürte ich keine Neigung mehr dazu, und ich konnte mir nicht vorstellen, mit einer Frau glücklich zu sein.
 
Charlotte sah ich seit der Ankunft ihres Mannes nicht mehr allzu oft, denn sie hielt sich jetzt oft bei Hofe auf. Die Situation, in der wir uns befanden, war für beide Seiten eine höchst unglückliche, denn es war ihr nicht möglich, sich von ihrem Mann zu trennen. Noch zog mich ein unsichtbares Band stets aufs Neue zu ihr hin, doch ich merkte, wie die Intensität nachließ.
 
Ich arbeitete unermüdlich, an manchen Tagen mehr als zwölf Stunden. Bereits im Januar sollte von meinem neuen Produkt, der Niederländischen Rebellion, etwas im „Teutschen Merkur“ zu lesen sein, gefolgt von Den Göttern Griechenlands, die dort im März erschienen.
 
Der Herzog war immer noch abwesend, und kein Mensch schien zu wissen, wann er zurückkehren würde. Auch wurde darüber geredet, dass die Herzogin Mutter im nächsten Sommer eine Italienreise plane. Armes Weimar! Goethes Rückkehr war ungewiss, und seine Trennung von den ferneren Staatsgeschäften schien bereits entschieden zu sein. Es ärgerte mich, dass er mit einer Besoldung von 3000 Talern in aller Ruhe in Italien saß und malte, währenddessen andere seine Arbeit zusätzlich zur eigenen erledigen mussten, noch dazu für die Hälfte des Geldes. 
 
An meinem Entschluss, mein Schicksal in einem Jahr auf einen festen Boden zu stellen, hatte sich nichts geändert. Bis dahin war noch ein langer Weg des Studiums notwendig, doch am Ende wollte ich qualifiziert genug sein, um mir einen soliden Broterwerb sichern und vielleicht auch eine Frau damit ernähren zu können.
 
Das Geschichtsstudium bot mir nur trockenen Stoff, an dem ich mich wenig begeistern konnte.
 
In meinen Schriften über die Niederländische Geschichte musste ich dieses Thema zunächst zum Blühen bringen und der toten Materie Leben einhauchen. Wenn ich ein Schauspiel schrieb, brauchte ich keine Bücher, sondern nur meine ganze Phantasie und all meine Zeit. Zu meinen historischen Arbeiten entnahm ich die wichtigsten Informationen aus Büchern und erweiterte diese um meine Gedanken und Ideen. Der Zeitaufwand war ungefähr gleich, doch war ich für meinen Don Carlos mit Unlust belohnt worden, und ich hoffte, dass meine Niederländische Geschichte mich schon nach viel kürzerer Zeit zum angesehenen Mann machen würde.
 
Ich fühlte mich innerlich leer und erschöpft, obwohl es mir nach außen hin gut ging. Etwas fehlte in meinem Leben, und ich wusste genau was es war, obwohl ich es manches Mal vor mir selbst verleugnete. Ich fühlte mich elend! Meine Freunde, Körner und Huber waren weit weg, und die hiesigen neuen Bekanntschaften blieben oberflächlicher Natur. Meine finsteren Gedanken waren im Moment durch nichts aufzuhellen.
 
Ich sehnte mich nach einem Geschöpf dessen Herz mir gehörte, ein Geschöpf, das ich glücklich machen konnte und musste, und das meinem Leben wieder Antrieb und Lebensfreude geben würde. Es war ein letzter Hoffnungsschimmer, der tief in meiner Seele glimmte, und der mich nicht ganz verzweifeln ließ. Würde der irgendwann auch noch verlöschen, wäre es um mich geschehen!
 
Ich bedurfte eines Mediums, durch das ich die Freuden des Alltags wieder genießen konnte. An diesem Wesen würde sich meine frierende Seele erwärmen. Ich würde endlich einen Menschen haben, der zu mir gehörte und dem ich wichtig wäre. Mein Herz hatte sich bisher immer an Menschen gehängt, denen ich nicht sonderlich viel bedeutete, aber damit konnte ich nicht leben. Eine bürgerliche, häusliche Existenz wollte ich mir aufbauen, eine Familie gründen. Dies war das Einzige, was ich mir jetzt noch erhoffte.
 
Mein Herz wartete auf die große Liebe, und das ganze Weibergeschlecht stand mir offen! Noch war ich frei von jeglichen Fesseln, doch fest entschlossen, bald gebunden zu sein.
 
 
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