Familie Lengefeld
Frau von Lengefeld wohnte mit ihren beiden Töchtern außerhalb Rudolstadt in ländlicher Umgebung im reizvollen Tal der Saale. Ihr Mann war bereits im Jahre 1775 verstorben. Seitdem befolgte sie ängstlich die auferlegten Regeln der Kirche und der regierenden Obrigkeit.
Vater Lengefeld, der als Oberforstmeister und Kammerrat in Rudolstadt tätig gewesen war, hatte noch zu Lebzeiten dafür gesorgt, dass seinen Töchtern eine gute Ausbildung zuteil wurde, die bei weitem die hiesigen ländlichen Maßstäbe überragte. Aus den Gesprächen heraus bemerkte ich sogleich den Feingeist der jungen Frauen und ihren Sinn für alles Literarische.
Luise Antoinette Charlotte von Lengefeld war mit ihren einundzwanzig Jahren die jüngere der Schwestern. Für sie war eine Hofdamenstelle vorgesehen. 
Charlotte von Lengefeld. Gemälde von Ludovike Simanowiz
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Zur Zeit meines Besuches in Rudolstadt versuchte sie eine ernste Liebe zu vergessen, denn der Mann, dem sie herzlichst zugetan war, hatte sie gezwungenermaßen verlassen müssen, weil ihn der Militärdienst über das Meer in einen anderen Weltteil befohlen hatte. So wurde beschlossen, dass sie sich für einige Monate in Weimar bei ihrer Patentante, der Frau von Stein, aufhalten sollte, die sich schon früher bei der Herzogin Luise um eine Hofdamenstelle für Charlotte verwendet hatte. Ihre Anwesenheit in der Weimarer Residenz sollte auch dazu dienen, sie bei der Herzogin in Erinnerung zu bringen.
Die drei Jahre ältere Tochter Karoline war bereits mit sechzehn Jahren die Ehefrau eines Herrn von Beulwitz geworden, lebte aber in einer nicht glücklichen und kinderlosen Ehe, in der anderen Hälfte des Doppelhauses, direkt neben ihrer Mutter.
Karoline von Beulwitz. Quelle: Könnecke 1905
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Um die französische Sprache der Töchter zu festigen, hatte Frau von Lengefeld eine Zeit lang in der französischen Schweiz gelebt und dort am Genfersee mit den Töchtern eine glückliche Zeit verbracht.
Damals, auf deren Heimreise, traf ich die Familie zum ersten Mal in Mannheim, doch war es nur eine kurze Begegnung gewesen, die auf beiden Seiten keine bleibenden Erinnerungen hinterlassen hatte. Doch jetzt, nach drei Jahren, waren die Eindrücke anders als damals.
Beide Töchter waren nicht sonderlich schön, wirkten aber sehr anziehend auf mich. Sie spielten zu meiner Freude auf dem Klavier und bereiteten mir einen schönen Abend. Ich fühlte mich im Kreise dieser Familie sehr wohl, deren Umgang völlig frei von Oberflächlichkeiten und Vorurteilen war. Bereits beim Abschied machte ich Pläne, den nächsten Sommer im Rudolstädter Tal zu verbringen.
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