Die Herzoginmutter Anna Amalia verbrachte seit 1781 die Sommermonate auf dem Lande in Tiefurt. Bereits in der ersten Woche, am 27. Juli, bekam ich die Gelegenheit, sie dort, gemeinsam mit Wieland und Charlotte, zu besuchen. Obwohl sie sich nichts aus meinen Schriften machte, war es eine große Ehre für mich, von ihr empfangen zu werden.
Sie war zwar eine galante Dame, missfiel mir aber durch ihr äußerst borniertes Auftreten, und auch ihr übertriebenes Interesse für Musik und Malerei wollte mir nicht zusagen. Anschließend war ich froh, diesen Besuch mit Selbstsicherheit und Anstand hinter mich gebracht zu haben.
Doch Charlotte rügte mich hinterher dafür, dass ich auf manche Fragen der Herzogin nicht geantwortet und diese einfach stehengelassen hätte. Das war mir jedoch aufgrund meiner inneren Unruhe und der vielen neuen Eindrücke überhaupt nicht bewusst gewesen. Deshalb zweifelte ich nach dem Besuch daran, der Herzoginmutter überhaupt gefallen zu haben.
Anna Amalia hatte natürlich schon längst von dem Verhältnis erfahren, das Charlotte und mich verband. Deshalb stießen wir natürlich allgemein auf außergewöhnliche Beachtung, und die Herzogin ließ es sich nicht nehmen, uns gemeinsam einzuladen. Man liebte schließlich derart pikante Abwechslungen bei Hofe und war dankbar für neuen Gesprächsstoff.
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