Tod der Mutter und Hauskauf
Elisabetha Dorothea Schiller. Gemälde von Ludowike Simanowiz. 1793. Quelle: Bildarchiv LMZ Baden-Württemberg
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Im Februar hatten mich zwei weitere Briefe meiner Mutter in Unruhe versetzt, denn sie schrieb mir von ihren andauernden Unterleibsbeschwerden und Blutungen, die mit erheblichen Schmerzen einhergingen und die sie für eine erneut eingesetzte Regelblutung hielt. Alle von ihrem Arzt verordneten Maßnahmen verbesserten ihren Zustand nicht, und da sie zu Doktor von Hoven in Ludwigsburg größeres Vertrauen hatte, schrieb ich an ihn, er möge eine Unterkunft in seiner Nähe für meine Mutter finden, in der sie gepflegt werden konnte und in Stuttgart nach ihr schauen.
Daraufhin reiste von Hoven nach Stuttgart, doch traf er meine Mutter nicht mehr an, weil sie bereits von meiner Schwester Louise nach Cleversulzbach abgeholt worden war, wo es jedoch keinen Arzt gab.
In der Studierstube des Pfarrhauses ihres Schwiegersohnes wurde ein heizbares Zimmer für sie eingerichtet, und meine Mutter war froh, dass sie bei ihrer Tochter sein konnte, da die räumlichen Verhältnisse in Stuttgart unzumutbar gewesen waren.
Einen großen Badezuber hatte mein Schwager für die Kranke fertigen lassen, weil sie beim Baden eine Linderung ihrer Schmerzen empfand. Nachdem Mitte Februar ein Amtsarzt aus dem Nachbarort geholt worden war, stellte dieser fest, dass die Erkrankung krebsartig sei, was wenig Grund zur Hoffnung machte. In Mutters letztem Brief brachte sie mir all ihre Liebe und Dankbarkeit entgegen und entschuldigte sich dafür, dass sie mir keine guten Nachrichten schicken konnte. Ängstlich, aber noch nicht mutlos, bat ich nochmals von Hoven, er möge zu den behandelnden Ärzten Kontakt aufnehmen, um weiteres mit ihnen zu besprechen.
Doch ahnte meine Mutter bereits Anfang April, dass alle Bemühungen der Ärzte umsonst waren.
Sie lehnte es in einem Brief an meine Schwester Christophine ab, nach Ludwigsburg zu gehen, weil sie sich bei Louise am Wohlsten fühlte, da sie ihr alles sagen konnte und keine Besuche empfangen musste. Sie hatte sich damit abgefunden, dass Gott beschlossen hatte, sie bald zu sich zu holen; die einzige Angst war die vor den Schmerzen, die nur für kurze Zeit durch Opium zu unterdrücken waren.
Schillers Wohnhaus in Weimar 1900. Quelle: Wikipedia
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Als Mutters Kräfte langsam schwanden, war ich im Begriff meinen Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen. Ich war entschlossen, das Haus des Weimarischen Kammerherrn Joseph Charles Mellish of Blythe, der im Frühjahr wieder nach England zurückging, auf der Esplanade für 7200 Gulden zu kaufen. Für notwendige Umbauarbeiten und die Renovierung veranschlagte ich nochmals 800 Gulden.
Erst Cotta machte durch einen großzügigen Vorschuss von 2600 Gulden den Kauf des Hauses möglich, und auch meine Schwiegermutter half mit einem zu vier Prozent verzinsten Darlehen in Höhe von 600 Gulden. 2200 Reichstaler wurden über eine Hypothek finanziert und durch Honorare und Vorschüsse von Göschen und Crusius aufgebracht. Den Rest wollte ich durch den Verkauf meines Gartenhauses in Jena begleichen, das ich jedoch nur mit einem Verlust von 500 Reichstalern, für 1150 Taler veräußern konnte.
Am 29. April 1802 bezogen wir unser neues Zuhause, und ich war zutiefst erschüttert, als ich wenig später erfuhr, dass meine Mutter am gleichen Tage nachmittags ihrem Leiden erlegen war. Am 10. Mai hatte Lotte den Brief meines Schwagers in Empfang genommen, den sie mir jedoch erst einen Tag später gab, weil sie es vorher nicht übers Herz bringen konnte. Wieder machte ich mir Vorwürfe, weil ich meiner Mutter nicht persönlich hatte beistehen können. Mit ihrem Heimgang fühlte ich mich meiner Wurzeln vollends beraubt, da mir nun beide Elternteile genommen waren.
Ahnungslosigkeit hatte unseren Umzug leichter gemacht, und ich wollte die schicksalhafte Verflechtung nicht als böses Ohmen werten.
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