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Abschied von Dresden

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Schiller 1787. Nach einer mit Tusche lavierten Zeichnung von Johann Christian Reinhart.
 

 
Schnell verging die Zeit und endlich erschien im Sommer 1787 mein abgeschlossenes Drama mit dem Titel Don Carlos, Infant von Spanien im Göschen Verlag. Viele Anfragen der großen Theater folgten und auch der Mannheimer Theaterintendant Dalberg entschied sich dafür, das Stück aufzuführen.
 
Im Juni 1787 übersandte ich das jambische Bühnenmanuskript an den Intendanten Schröder in Hamburg, der mein Werk am 29.08.1787 zur Aufführung brachte.
 
Ich bereute, dass ich Teile des Don Carlos bereits 1785 in der Rheinischen Thalia veröffentlicht hatte, ohne dessen Vollendung abgewartet zu haben.
 
Bereits während des Schreibens bemerkte ich die Fortschritte meines Schreibstils, die nicht unbeträchtlich waren, und am Liebsten hätte ich die ersten, bereits gedruckten Szenen geändert und überarbeitet. Doch leider war dies nun nicht mehr möglich.
 
Die Arbeiten an meiner Zeitschrift beschäftigten mich, ebenfalls der Entwurf eines Schauspiels Der Menschenfeind, den ich mit einigen Szenen skizzierte. Nebenher arbeitete ich an den Philosophischen Schriften, die im 3. Heft erscheinen sollten.
 
Doch wie schon so oft vorher, verfolgten mich auch hier meine Gläubiger. Das Jahr der Unterstützung Körners war längst vorüber gegangen, und meine Taschen waren leer wie zuvor. Ein Wechsel, für den Körner gebürgt hatte, wurde fällig, und als der jüdische Geldverleiher Beit das Geld erst von mir und dann von Körner forderte, einigten wir uns schließlich auf weitere, jahrelange Schuldverschreibungen.
 
Mein Schuldenberg wollte nicht schrumpfen, denn meine Einnahmen deckten bei Weitem nicht die Ausgaben. Auch im Mai 1787 hatte ich aufgrund eines Engpasses die „Deutsche Gesellschaft“ um einen Kredit ersucht, den diese mir für fünf Monate bewilligte. Schon damals war absehbar, dass ich die Summe nicht pünktlich zurückzahlen konnte, und selbst im April 1788 war die Schuld nicht beglichen.
 
Der Druck wuchs und mit ihm der Wunsch nach Ausbruch aus der bedrückenden Lage. Ich wollte endlich hinaus aus diesem Jammertal und beschloss, die Dichtkunst eine Weile in den Hintergrund zu stellen, um eine solide Existenz aufzubauen, die ich durch ein Medizin- oder Geschichtsstudium festigen wollte.  
 
Da ich bereits seit Jahren durch die Studien für meinen Don Carlos mit historischen Stoffen vertraut war, entschied ich mich schließlich für das Geschichtsstudium.
 
Schon zu Beginn meiner Betrachtungen zu diesem Stück, war mir ein Stoff aufgefallen, zu dessen Behandlung ich inhaltsreiches Material sammelte: Die Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung. Da diese historischen Schriften mehr Geld einbrachten, als meine bisherigen Veröffentlichungen, arbeitete ich verstärkt an deren Fertigstellung.
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Alessandro Graf von Cagliostro - Giuseppe Balsamo (1742–1795). Bridgeman Art Library. Quelle: Wikipedia
 



Für meine Thalia hatte ich außerdem einen Roman den Geisterseher in Fortsetzung vorgesehen, dessen Grundidee bereits damals in Bauerbach entstanden war. Es sollte ein Beitrag zur Geschichte des Betruges und der Verirrungen des menschlichen Geistes werden, wobei ich mir sicher war, hiermit das Allgemeininteresse wecken und wach halten zu können. Es handelte sich um die Geschichte eines protestantisch erzogenen, deutschen Prinzen, der den Intrigen einer katholischen Geheimgesellschaft erliegen sollte. Viele weltliche Dinge, wie auch politische und religiöse Entscheidungen, wurden gerne auf finstere und geheimnisvolle Kräfte zurückgeführt. Diesen Irrglauben verstärkten noch die geheimen Rituale der Freimaurerlogen und der Illuminaten, gefolgt von den Rosenkreuzern, Teufelsaustreibern und Geisterbeschwörern.
 
Besonders einige Berichte, die ich in Bauerbach über den sonderbaren Magier und Wundertäter Graf Cagliosto gelesen hatte, waren Nahrung für meinen Roman.
 
Nach jedem weiteren Erscheinen wurden die Rufe nach der Fortsetzung lauter. Die Leser erwarteten mit Spannung die nächste Folge, und ich bekam Anfragen bezüglich des weiteren Verlaufes. Diesen kannte ich jedoch selber nicht, weil ich nur dann weiter schrieb, wenn die nächste Thalia-Ausgabe anstand. Nach drei Jahren verlor ich die Lust an dieser Geschichte und ließ sie zum Bedauern meiner Leser unvollendet als Fragment zurück. Auch Göschen konnte mich später nicht umstimmen, sie zu Ende zu schreiben.
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Friedrich Schiller. Gemälde von Anton Graff (1786) Fertigstellung 1791. Original: Schiller-Nationalmuseum, Marbach am Neckar.
 



Ich war ein rastloser Mensch, dem es immer nur für kurze Zeit gelang, an ein und demselben Ort Ruhe zu finden. Stets trieb mich eine innere Unruhe und Hektik an die Arbeit, sodass ich oftmals die Nächte am Schreibtisch verbrachte und dort irgendwann einschlief, oder mitten im Gespräch einfach einnickte. Der Maler Graff hatte seine Qual mit meinem unruhigen Sitzfleisch, denn das Stillsitzen während des Porträtieren war mir unsagbar schwer gefallen.
 
So sehr ich die Zeit mit meinen Freunden genossen hatte, so sehr fühlte ich nun die wachsende Abhängigkeit und die zunehmende Angst des Verlassenseins, welche ich häufig in meiner Jugend auf der Akademie verspürt hatte.
 
Mit der Zeit bemerkte ich, dass der Umgang mit Körner mir ständig meine Bildungslücken vorhielt, war er doch weit gereist und viel gebildeter als ich. Auch war es mir auf Dauer unerträglich, finanziell von ihm abhängig zu bleiben. 
Ob ich das Versäumte noch lernen konnte, wusste ich nicht. Doch wollte ich nicht weiterleben, ohne es versucht zu haben.
 
Die Süße meines hiesigen Lebens war mit einem Male bitter geworden. Ich war träge und untätig, und das wiederum machte mich mürrisch und äußerst unzufrieden. Loslassen musste ich, um weiterzukommen. Mein Herz hatte sich verkrampft, und die Lichter meiner Phantasie waren erloschen. Damit Neues entstehen konnte, musste ich das Alte abschließen.
 
So fasste ich den Entschluss, meine Freunde zu verlassen und nach Weimar zu gehen.
 
Nach einigen Wochen in Loschwitz auf dem Lande, saßen wir in trauter Runde und stießen ein letztes Mal mit Rheinwein auf unsere Freundschaft an, wobei ich meinen Freunden die letzten beiden Akte meines Don Carlos vorlas.
 
Am 21. Juli 1787 trat ich meine Reise nach Weimar an, zu unbekannten neuen Ufern, allerdings mit der Option, irgendwann zu ihnen zurückzukehren.
 
 
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