Johann Gottlieb Fichte
In Jena selbst hatte sich während unserer Abwesenheit einiges geändert. Aufgrund der Vermittlung des Prinzen von Augustenburg war Professor Reinhold im Frühjahr 1794 an die Universität nach Kiel berufen worden. Er hatte die Stadt Ende März verlassen. Sein Nachfolger, Johann Gottlieb Fichte, hatte mich bereits Anfang Mai in Stuttgart besucht und war am 18. Mai 1794, dem Rufe Voigts folgend, in Jena eingetroffen. Seine erste Vorlesung verlief ähnlich wie die meinige, in dem größten und trotzdem völlig überfüllten Auditorium.
Johann Gottlieb Fichte. Quelle: Wikipedia
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Ich bewunderte Fichte, als einen der begabtesten Schüler Kants, der, selber so von diesem benannt, in Deutschland ein berühmter Mann war. Kurz vor seiner Berufung nach Jena war von ihm eine, die Französische Revolution begrüßende Schrift erschienen, deren Titel „Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europas, die sie bisher unterdrückten“ nicht nur seine politische Gesinnung und Leidenschaft, sondern auch ebenso viel Kühnheit und Naivität verriet.
Fichtes Bestreben lag darin, vom Schüler Kants zur Rolle des Lehrers aufzusteigen, und er versuchte auf noch offene Fragen Antworten zu finden, die selbst Kant aus Vorsicht nicht gegeben hatte.
So sehr ich mich anfangs um die Freundschaft Fichtes bemühte, so schnell musste ich einsehen, dass ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm nicht möglich war, da mir seine Art auf Dauer widerstrebte. Sie äußerte sich völlig gegensätzlich zu meiner ästhetischen Denkweise, ohne jegliches Gefühl für Harmonie und Sanftheit, nur in seiner schroffen und einseitigen Natur und in einer abstrakten Denkweise. In der ersten Planungszeit der
Horen galt es die klügsten Köpfe, so auch Fichte, für die Mitarbeit zu gewinnen, doch im Laufe des Jahres wurden anstelle erster Bewunderung arge Bedenken gesetzt, die ich ihm in kritikvoller Sachlichkeit nahe brachte.
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