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  Sektierertum


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Karl Philipp Moritz (Gemälde von K. F. J. H. Schumann, 1791) Quelle: Wikipedia
 



Für das März-Heft wollte ich das Gedicht Die Künstler beisteuern, an dem ich gerade schrieb. Ich stellte es im Februar fertig.
 
Einen bedeutenden Einfluss auf diese Dichtung hatte die Schrift „Über die Nachahmung des Schönen“ von Karl Philipp Moritz. Dieser war Anfang Dezember 1788 nach Weimar gereist, um Goethe zu besuchen, den er 1786 in Rom kennen gelernt hatte. Ich schätze seine Werke, und mein Interesse daran wuchs zusehends, doch hielt ich mich wegen seiner damals kränkenden Rezension meines Stückes Kabale und Liebe, die ich nicht vergessen konnte, auf Distanz, obwohl ich die Tiefe seines Geistes und seiner Empfindungen anerkennen musste.
 
Er besuchte mich einige Male, doch war mir eine freundschaftliche Annäherung auch danach nicht möglich, weil mich die Abgötterei, die Moritz mit Goethe trieb, abstieß. Diese Unterwürfigkeit schadete dem Ansehen dieses selbstständig denkenden Kopfes, und ich fand sie höchst verdächtig. Jeder Sektengeist war mir zuwider, so auch dieser, der in der freimaurerischen Meistererhebung Goethes, der ebenso wie der Herzog Karl August, Hufeland, Fritsch, Jacobi und Bode seit einigen Jahren Mitglied der Freimaurerloge „Amalia zu den drei Rosen“ war, etwas Anbetungswürdiges sah. Doch einen Menschen, der mir ein ähnlich anregendes Vergnügen im Umgang bescherte, würde ich sobald nicht wieder finden können. Bereits Anfang Februar war Moritz Aufenthalt in Weimar beendet. Er brach gemeinsam mit dem Herzog nach Berlin auf, wo er eine durch diesen vermittelte Professur für die Theorie der schönen Künste und Altertumskunde antreten sollte.
 
Ich konnte der Gesellschaft Goethes nicht viel abgewinnen. Öfter um ihn zu sein, würde mich unglücklich machen, denn er duldete keine Nähe und war an nichts zu fassen. Ich empfand ihn als Egoist ungewöhnlichen Grades, denn so wie er die Menschen zu fesseln verstand, wusste er sie auf Distanz zu halten. Er gab sich wie ein Gott, ohne sich selbst zu geben, was für ihn den höchsten Genuss der Eigenliebe darstellen musste.
 
Solche Wesensmerkmale sollten die Menschen nicht bei sich aufkommen lassen! Obwohl ich seinen Geist von ganzem Herzen liebte, blieb er mir durch seine Art verhasst. Es war eine ganz sonderbare Mischung von Hass und Liebe, die er in mir geweckt hatte, denn ich bekam Lust darauf, einen Streich gegen ihn zu führen, wie einer stolzen Prüden, der man ein Kind machen muss, um sie vor der Welt zu demütigen.
 
Im Dezember traf ich Schubarts Sohn, der von Berlin nach Mainz reiste, wo er bei der preußischen Gesandtschaft angestellt war.
 
Ich erfuhr von ihm, dass mein Don Carlos in Berlin auf Befehl des Königs aufgeführt worden war und ihm sehr ans Herz gegangen sei. 
 
Meine Arbeit am Geisterseher, der in Fortsetzung in der Thalia erschien - dort erstmals 1787 und ein weiterer Teil im Mai 1788 - hatte ich im Dezember unterbrochen. Doch mein Verleger Göschen drängte mich, die Erwartungen der Leser nicht zu enttäuschen, die sich ständig nach dem Fortlauf der Geschichte erkundigten, denn diese verzeichnete einen sensationellen Erfolg. So setzte ich, wenn auch recht lieblos, meine Arbeit daran fort. Die nächsten drei Folgen des Romans wurden in der Zeit von März bis Oktober 1789 veröffentlicht. Im November 1789 erschien dann der endgültig letzte Teil der Geschichte, unfertig, als illustrierte Buchausgabe. Nichts und niemand konnte mich anschließend dazu bewegen, den Roman abzuschließen, obwohl es zahlreiche verlockende Angebote meiner Verleger gab.
 
Nie hätte ich vermutet, dass ein solch’ großes Interesse an Geschichten bestand, die von Magie, Hellseherei und geheimen Bruderschaften erzählten. Sie weckte die Einbildungskraft des Publikums, musste jedoch den Anspruch auf Wahrheit des Geschehens in den Hintergrund treten lassen.
 
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Erhebung eines Freimaurer Gesellen zum Meister. Stich von Ende des 18. Jahrhunderts. Quelle: Wikimedia
 


 
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