Glucks Oper und Jahreswechsel
Christoph Willibald Gluck (1714-1787). Quelle: Weltchronik.de
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Niemand, außer Körner und Goethe, wusste etwas von dem Thema des Stückes, an dem ich schrieb. Ich hatte auch Cotta nichts davon berichtet, sondern unterhielt Verhandlungen mit dem Berliner Buchhändler und Verleger Friedrich Gottlieb Unger, dem ich schließlich die Tragödie der
Jungfrau von Orleans zum Druck in einem Kalender für das Jahr 1802 zum Preise von 150 Karolin anbot. Unger war Goethes Verleger. Dass ich ihm mein Werk zur Veröffentlichung freigab, ging auf eine alte Absprache aus dem Jahre 1797 zurück, über die ich Cotta frühzeitig informiert hatte. Ich versprach Cotta, Unger lediglich meine dramatischen Arbeiten zu überlassen und zu Cottas Damenkalender ebenfalls Beiträge zu leisten.
Alles, was ich durch meine Dramen einnehmen würde, sollte nunmehr für einen Hauskauf bestimmt sein, denn wir wollten die laute und zugige Wohnung so schnell wie möglich verlassen, in dem im November unser Karl an Scharlach erkrankt war.
Das Geld von Unger sollte Anfang des neuen Jahres ausgezahlt werden, doch er bezahlte schon Ende Dezember einen beträchtlichen Teil.
Der letzte Tag des Jahres 1800 war begleitet von unschönen Erinnerungen. Eigentlich hatten Goethe und ich bereits im Frühjahr 1799 einen anderen Ablauf dieses Abends, nämlich als ein großes Ereignis in Weimar, geplant. Dies sollte mit einem riesigen Fest im Park an der Ilm begangen werden. Auch an Theatervorstellungen mit antikem Hintergrund hatten wir gedacht. Die Stadt sollte aus ihrem Dornröschenschlaf zum Leben erwachen und in Bewegung geraten. Selbst Iffland wurde von mir eingeladen, den
Wallenstein zu spielen. Doch bereits Mitte Dezember hatte sich der Herzog Karl August mit einem unwiderruflichen „Nein“ dagegen ausgesprochen, weil in der Stadt Gegenstimmen unbekannter Quelle laut geworden waren, und er angeblich einen Eklat vermeiden wollte. Da ich diese Zurückweisung als sehr kränkend empfand, überließ ich Goethe alle weiteren Überlegungen für die Gestaltung dieses besonderen Festtages und zog mich aus der Angelegenheit zurück.
Nach den Weihnachtstagen ergötzte ich mich an Glucks „Iphigenia auf Tauris“. Noch nie hatte mich ein Musikstück so bewegt, wie dieses. Es bot eine Harmonie, die geradewegs in die Seele drang und dort eine tiefe Wehmut auslöste. Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, um dessen Partitur ich mich bei Karl Theodor von Dalberg in Erfurt bemüht hatte und die am 1. Januar in Weimar uraufgeführt wurde, empfand ich hingegen als charakterlosen Mischmasch.
So tätig, wie ich das alte Jahr verabschiedet hatte, begrüßte ich auch das neue. Meine Tragödie nahm zunehmend Gestalt an, und die Arbeit ging mir leichter von der Hand, als bei den vorherigen Stücken, bei denen der Verstand mit dem Stoffe kämpfen musste.
Nebenbei beschäftigte mich die 3. Ausgabe der
Kleineren prosaischen Schriften, die bei Crusius im Mai erscheinen sollte und die Neuausgabe der
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande. Außerdem sollte der
Don Carlos bei Göschen nach einigen Veränderungen neu aufgelegt werden, dem ich auch eine
Revision der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges versprochen hatte.
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