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Historische Memoires und Dreißigjähriger Krieg


  dreißkrieg

Quelle: Könnecke 1905


 
Wie ich erfuhr, hatte Goethe sich von Anfang März bis Mitte Mai 1790 in Jena aufgehalten. Am 13. Mai reiste er nach Venedig, um die von Rom kommende Herzogin Anna Amalia samt Gefolge nach Weimar zurück zu geleiten, wo diese am 18. Juni eintraf. Der Druck  von Goethes „Faust-Fragment“ war Mitte April abgeschlossen worden, und ich bat Göschen darum, mir ein Exemplar zuzusenden, auf das ich sehr neugierig wartete. Goethe verließ Weimar erneut Ende Juli 1790, weil der Herzog Karl August ihn hatte zu sich rufen lassen, als er an Manövern des preußischen Kürassierregiments in Schlesien teilnahm.
 
Auf Goethes Vermittlung war der Maler und Kupferstecher Heinrich Lips, den Goethe in Rom kennengelernt hatte, 1789 als Professor an die „Freie Zeichenschule“ nach Weimar berufen worden und wurde als Buchillustrator hoch geschätzt. Er sollte nach Goethes Idee unter anderem auch das Titelbild der ersten Memoires stechen.
 
Lips war ein angenehmer Mensch, und auch Lotte ließ sich von ihm mit großem Erfolg Unterricht im Zeichnen erteilen. Da ich nach wie vor meist nachts arbeitete und vormittags bis in die Mittagsstunden schlief, sollte wenigstens Lotte in der einsamen Zeit eine Abwechslung geboten werden.
 
So nahm sie sich vor, demnächst Klavier- und Gesangsunterricht zu nehmen, um sich noch besser mit Frau Paulus ergänzen zu können, die ganz vortrefflich sang.
 
Mitte Mai hatte Lotte sich dazu überwunden, mich für zwei Stunden ins Kabinett zu begleiten, welches neben meinem Auditorium lag, obwohl sie sich vor den Studenten fürchtete. Doch dann nahm sie sich ein Herz, um mich bei meiner Vorlesung über die Tragödie zu hören, die mir sehr viel Vergnügen machte und um mir Tee zu kochen. 
 
Meine Vorlesungen hatte ich nebenher vorzubereiten, doch zu einem musterhaften Professor eignete ich mich ganz und gar nicht, und das war auch nicht meine Bestimmung.
 
Die dringendste Arbeit, die ich vorrangig vor allen anderen anging, war die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, schon alleine des in Aussicht gestellten Honorars wegen. Diese Arbeit sollte für Göschens Kalender bis August fertiggestellt sein. Die Anspannung und der Zeitdruck waren enorm, sodass ich kaum Atem holen konnte. In nur vier Monaten hatte ich es geschafft, die ersten beiden Bände meiner Geschichte fertig zu stellen. Dazu verhalfen mir nicht zuletzt meine äußeren harmonischen Lebensumstände. Mein Plan, die historischen Memoires auf acht Exemplare jährlich zu erhöhen und mir damit eine Hauptverdienstquelle zu sichern, scheiterte, denn es sollten 1790 nur zwei dieser Bände neu erscheinen. Was ich mir vorgenommen hatte, sprengte meinen Zeitrahmen, denn auch die Arbeiten an der Thalia mussten fortgesetzt werden. Im Mai hatten mir zunächst Unbekannte ein Manuskript des Trauerspiels „Demetrius“ zukommen lassen, in der Hoffnung, dass es für die Thalia  geeignet wäre. Dies lehnte ich jedoch aus verschiedenen Gründen ab. 1792 ließen Curtius und Rechlin dieses Stück, das sie in gemeinsamer Arbeit erstellt hatten, anonym in Jena veröffentlichen.
 
Zu meiner Freude hatte mir Dominikus aus Erfurt geschrieben und sich anerkennend über meine Universalhistorische Übersicht der vornehmsten an den Kreuzzügen teilnehmenden Nationen, ihrer Staatsverfassung, Religionsbegriffe, Sitten, Beschäftigungen, Meinungen und Gebräuche, die die Einleitung zur ersten Abteilung der Allgemeinen Sammlung Historischer Memoires bildeten, geäußert.
 
Dominikus belegte an der Universität in Erfurt seit 1790 eine außerordentliche Professur für Geschichte und wohnte als literarischer Ratgeber des Koadjutors von Dalberg in der Statthalterei.
 
Genau wie er hatte auch Herder, der gerade eine schwere Hämorrhoidenerkrankung ausgestanden und sich noch nicht ganz erholt hatte, bei einem Besuch in Weimar Bewunderung bezüglich dieser Arbeit aus seinem Herzen sprechen lassen.
 
Hierin dachten viele anders, als mein Freund Körner, den ich von meiner Geschichtsphilosophie immer noch nicht überzeugen konnte, was mich ein wenig enttäuschte.
 
The_Hanging_by_Jacques_Callot

Der Galgenbaum – Darstellung von Kriegsgräueln nach Jacques Callot (1632)



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