schiller5

Besuch und grüne Tapeten


st_wernigerode_tapeten_zeic

Handkolorierter Holzschnitt (1735/40) einer Papiermacherin.
 



Zwischenzeitlich hatte auch Lotte Anfang des Jahres öfter das Bett hüten müssen, und genau wie zwei Jahre zuvor, konnte Doktor Stark keine Diagnose stellen. Erst im Mai stellte sich heraus, dass Lotte erneut schwanger war, und wieder war es bereits der siebente Monat, in dem sie sich befand. Dieser Grund hielt mich zusätzlich von einer Reise nach Schwaben zurück, aber meine körperliche Schwäche hätte die lange Fahrt ohnehin unmöglich gemacht.
 
August Wilhelm Iffland hatte für kurze Zeit Weimar besucht und dort den "Franz Moor" gespielt.  Auch die Inszenierung von Goethes "Egmont" wurde nach meiner Bühnenbearbeitung mit Iffland in der Hauptrolle mit großem Erfolg aufgeführt. Der Herzog und Goethe hatten vergeblich versucht, ihn für die Theaterintendanz nach Weimar zu holen. Iffland reiste weiter nach Berlin, wo ihn ein lukrativeres Angebot erwartete.  
 
Schon vor Wochen hatte sich Körner mit seiner Familie zu einem Besuch angemeldet. Sie kamen mit den Kindern und ihrer Schwägerin Dora Stock, nebst Begleitung des Karl Friedrich Graf Geßler, preußischer Gesandter in Dresden, am 27. April 1796 in Jena an und konnten nach Absprache mit den Humboldts in deren Wohnung logieren.
 
Zuvor hatte ich Goethe noch mit einem Wunsch nach 63 Ellen grünen Tapeten behelligt und einer passenden Einfassung, wobei ich ihm und seiner Farbentheorie völlig vertraute. Wunschgemäß besorgte er mir alles, und ich konnte unsere Wohnung noch vor dem Besuch freundlicher renovieren lassen, wobei mir die rosa Bordüre, die eigens aus Frankfurt besorgt worden war, sehr gut gefiel.
 
Auf der beschwerlichen Suche nach literarischem Ruhm war Jean Paul Friedrich Richter im Juni 1796 nach Weimar gekommen und wie ich, dem Rufe Charlotte von Kalbs gefolgt. Bereits kurz nach seiner Ankunft stattete er mir einen Besuch in Jena ab. Zunächst bot ich ihm an, einen Beitrag für die Horen zu leisten, doch dies schien mir im Nachhinein dann doch nicht wünschenswert, weil mir Jean Paul so fremd erschien, als sei er vom Mond gefallen. 
 
Ich hatte mich sehr auf den Besuch Körners gefreut, doch waren meine Gedanken in meiner Heimat, auf der Solitude. 
 
Meine Mutter und Louise erholten sich dank der Hilfe Christophines schnell, doch umso schlimmer entwickelte sich der Zustand meines Vaters. Manchmal schrie er stundenlang und auch erhöhte Opiumgaben brachten keine Linderung mehr. Die Ärzte konnten nichts mehr tun. Ihre Behandlungen hatten keinen Nutzen gezeigt. In den schmerzfreien Phasen, versah mein Vater seine Arbeit noch vom Bett aus einige Monate lang, doch dann wurde Württemberg zum Kriegsschauplatz.
 
Der neue Herzog hatte den französischen Truppen freundschaftlich Durchzug durch sein Land gewährt und war geflohen, was auch etliche Einwohner getan hatten.
 
Das Land war in Aufruhr, und auch mein Vater plante mit seiner Familie nach Leonberg in das dortige Schloss zu flüchten, wozu er sich eine herzogliche Erlaubnis besorgt hatte. Vorsorglich hatte er schon den wertvollsten Hausrat dorthin schaffen lassen.
 
Währenddessen hatten Goethe und ich in Jena mit unserer Xenienproduktion begonnen. Wir wollten die satirischen, schonungslosen Gedanken, die wie Pfähle in das Fleisch unserer Kollegen getrieben werden sollten, derart ineinander verschmelzen lassen, dass die Urheberschaft von keiner Seite mehr feststellbar war. Trotz der Verschiedenheiten zwischen Goethe und mir, war es selbst uns oftmals nicht mehr möglich, den einen oder anderen Vers einem von uns beiden zuzuordnen. Deshalb hatten wir abgesprochen, uns niemals mit den Eigentumsrechten auseinander zu setzen.


Weiter

>

Home] [Timeline] [Kleine Einführung] [Virtuelle Zeitreise] [Zeitzeugen] [Impressum und Datenschutz] [Linkliste] [Kindheit und Jugend] [Marbach und Lorch] [Ludwigsburg] [Hohe Karlsschule] [Jura und Medizin] [Die Räuber] [Regimentsmedikus] [Uraufführung Mannheim] [Fiesko und Haftstrafe] [Flucht] [Enttäuschte Hoffnung] [Bauerbach] [Bühnendichter] [Kabale und Liebe] [Theaterfiasko] [Freimaurer] [Rheinische Thalia] [Margaretha Schwan] [Charlotte von Kalb] [Weimarischer Rat] [Zu neuen Ufern] [Leipzig] [Gohlis] [Christian Gottfried Körner] [Dresden] [Henriette von Arnim] [Abschied von Dresden] [Weimar] [Wieland und Herder] [Anna Amalia] [Leben in Weimar] [Teutscher Merkur] [Goethes Geburtstag] [Club der Bürgerlichen] [Bauerbach] [Familie Lengefeld] [Zurück in Weimar] [Charlotte in Weimar] [Volkstedt und Rudolstadt] [Goethe in Rudolstadt] [Rückkehr nach Weimar] [Depression und Arbeit] [Sektierertum] [Berufung nach Jena] [Jena und zwei Engel] [Kontakte und Alltag] [Besuche und Liebe] [Verlobung] [Geständnisse] [Ferien in Rudolstadt] [Mainzer Hoffnungen] [Pläne und Erwartungen] [Heirat] [Erste Zeit der Ehe] [Hystorische Memories] [Totgeglaubte leben länger] [Goethes erster Besuch in Jena] [Bürgers Gedichte] [Schwere Erkrankung] [Wallenstein Idee] [Krankheit und Pflege] [Kant und Unsterblichkeit] [Totgeglaubt] [Karlsbad] [Nachkur in Erfurt] [Schenkung aus Dänemark] [Kant Studium und Kontakte] [Reise nach Dresden] [Studentenunruhen in Jena] [Besuch aus Schwaben] [Besetzung von Mainz] [Französische Bürgerrechte] [Revolutionswehen] [Umzug und Glaubensbekenntnisse] [Guter Hoffnung] [Reise nach Süddeutschland] [Heilbronn] [Geburt des ersten Sohnes] [Ludwigsburg] [Hölderlin] [Tod von Karl Eugen von Württemberg] [Stuttgart] [Zurück in Jena] [Johann Gottlieb Fichte] [Wilhelm von Humboldt] [Die Horen] [Über die Urpflanze] [Reise nach Weißenfels] [Pockenimpfung] [Zu Gast bei Goethe in Weimar] [Wachsende Verbindung] [Universität Tübingen] [Einsame Tage und Erotica Romana] [Plan der Xenien] [Solitude Krankheit und Tod] [Besuch und grüne Tapeten] [Geburt von Sohn Ernst] [Kriegswirren] [Tod des Vaters] [Karoline und Wilhelm von Wolzogen] [Xenien und Gegengeschenke] [Wallenstein Vorstudien] [Gartenhaus in Jena] [Balladenwettstreit] [Goethe reist nach Italien] [Arbeit und Schicksal] [Gartenrichtfest] [Piccolomini und Wallensteins Lager] [Schlussstück] [Plan der Maria Stuart] [Wallenstein vor dem Königspaar] [Umzugspläne nach Weimar] [Geburt von Tochter Karoline] [Charlottes Erkrankung] [Umzug nach Weimar] [Macbeth und neuer Krankheitsschub] [Beendigung der Maria Stuart] [Die Jungfrau von Orleans] [Ruhe in Oberweimar] [Glucks Oper und Jahreswechsel] [Goethes Erkrankung und Tankred] [Die Jungfrau unter dem Panzer] [Uraufführung und Abschied] [Turandot und Mittwochsgesellschaft] [Kotzebue] [Tod der Mutter und Hauskauf] [Theater, Theater] [Erhebung in den Adelsstand] [Die Braut von Messina] [Plan des Wilhelm Tell] [Am Hofe von Weimar] [Die Braut von Messina wird beendigt] [Die natürliche Tochter] [Reise nach Bad Lauchstädt] [Arbeit am Wilhelm Tell] [Madame de Stael] [Fertigstellung des Wilhelm Tell] [Reise nach Berlin] [Geburt von Tochter Emilie] [Die Huldigung der Künste] [Phédre und Demetrius] [Schillers Tod] [post mortem] [Huldigung der Künste]