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 Dresden
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Augustusbrücke um 1865 (nach einem Gemälde von Franz Wilhelm Leuteritz, 1865, Stadtmuseum Dresden, verändert). Quelle: www.dresden-und-sachsen.de
 



Bereits wenige Tage später befand ich mich auf dem Weg nach Dresden in bester Stimmung. Huber war in Leipzig zurückgeblieben, wollte jedoch später folgen. Erstmals genoss ich die Freiheit sorglos zu sein, ahnte aber insgeheim, dass dieser Zustand nicht ewig anhalten würde.
 
Es war eine angenehme Reise, auf der mich ein Bekannter begleitete. Nachdenklich wurde ich, als wir gewisse Plätze passierten, die in mir Erinnerungen wachriefen. An diesen Stellen hatte ich mich noch vor kurzem mit meinen Freunden befunden. Den Ort unseres Abschieds ließ die Kutsche bald hinter sich zurück. Wie schnell durchlebt ist doch unsere Zeit und lässt aus dem Gegenwärtigen Vergangenheit werden. Ich sah zum ersten Male, wie die Elbe zwischen den Bergen hervortrat und bestaunte die wunderschöne Landschaft, die der meiner Kindheit sehr ähnlich war.
 
Ein Teil unserer Fahrt fiel in den Abend und die Nacht, so dass ich die Umgebung nicht mehr wahrnehmen konnte. Gegen Mitternacht überquerten wir die Dresdner Brücke, und ich blickte zu den wenigen erleuchteten Häusern in Richtung Neustadt, worunter ich auch das Haus Körners vermutete. Ich konnte es kaum erwarten, ihn und die Frauen wieder zu sehen.
 
Im Gasthof „Goldener Engel“ stiegen wir ab, und ich ließ am nächsten Morgen sogleich einen Boten in die Neustadt schicken, der erkunden sollte, ob Körner im Weinberg sei.
 
Als der Bote Grüße von Minna und Dora zurückbrachte und diese mir mitteilten, dass Körner aus beruflichen Gründen erst mittags käme, mietete ich mir eine Portechaise und ließ mich zu Körners Haus tragen, weil es entsetzlich regnete.
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Stahlstich aus: Schiller-Feier. Eine Sammlung von Portraits und Ansichten zu Schillers Leben und Werken. 2. Auflage. Leipzig: Baumgärtner, 1859.
 



Die Wiedersehensfreude war unbeschreiblich. Nach einem reichlichen Mittagessen stießen wir mit viel Wein auf unsere Freundschaft an und tranken dabei auch auf die Gesundheit unseres abwesenden Freundes Huber.
 
Die beiden Frauen, von mir liebevoll „Weiberchen“ genannt, besorgten die Wirtschaft aufs Beste und verwöhnten uns am Nachmittag mit Kaffee und Gebäck. Körner spielte etwas auf der Harmonika. Alle waren heiter und vergnügt, und ich fühlte mich zu Hause und war rundum zufrieden.
 
Als der Regen nachließ und die Sonne wieder schien, machten wir uns auf den Weg zum Weinberg, der etwa eine Stunde vor der Stadt lag. Die Gegend war wunderschön, und die Lage des Hauses mit Garten eine Idylle mit herrlicher Aussicht. Auf der Höhe des Weinberges stand noch ein zusätzliches Gartenhäuschen, von wo aus man auf die ringsum verstreuten Weinberge und Landhäuschen blicken konnte.
 
In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal mit allen meinen Lieben unter einem Dach, und man begleitete mich bis zu meinem Zimmer, wo von Minna und Dora bereits alles zu meiner Bequemlichkeit gerichtet worden war. Des Morgens erwachte ich durch ihr Klavierspiel. Ich fühlte mich wie im Himmel. Das sollten göttliche Tage werden!
 
Und gleich an diesem Morgen, als wir vereint draußen unter dem Nussbaum an unserem Frühstückstisch saßen, ging in ausgelassener Hochstimmung „der Gaul“ mit mir durch. Wie schon am Abend zuvor, brachte ich ein Prosit auf unser frohes Zusammenleben aus und ließ mein Glas so hell erklingen, dass es beim Anstoßen in tausend Stücke zersprang. Minna machte gute Miene zum bösen Spiel und musste mit ansehen, dass auch Dora und Körner auf meinen Zuruf hin, ihre Gläser auf dem gerade erstmals aufgelegten neuen Tischtuch ausgossen.
 
Die Trankspende für die Götter konnte Minna mir noch verzeihen, doch als ich die Gläser anschließend auch noch mit einem leidenschaftlichen Ausruf über die Gartenmauer auf das Steinpflaster warf, schaute sie mich mit recht besorgter Miene an. Um weiteren Verlusten vorzubeugen, fuhr sie bald darauf in die Stadt und kaufte vier silberne Becher, in die sie unsere Initialen eingravieren ließ.
 
Zugegeben, ich war in so exaltierter Stimmung wie selten zuvor. Meine Freunde verstanden es immer wieder, das innere Kind in mir, das sich so lange hinter dem Ernst und der Traurigkeit des Lebens vor der Welt verborgen hatte, durch viel Spaß und viele witzige Begebenheiten, für geraume Zeit hervorzulocken.
 
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Körnerhaus in Dresden. Quelle: Könnecke 1905
 



Ende Oktober kehrten wir von Loschwitz nach Dresden zurück. Huber bezog gemeinsam mit mir eine Wohnung am Kohlenmarkt. Sie lag schräg gegenüber dem Hause von Körner.
 
Auch die Monate davor hatte ich an meinem Don Carlos gearbeitet, was jedoch sehr schleppend vonstatten ging. Hier in der Stadt tat ich mich ebenfalls schwer damit, und ich schickte mein Manuskript mit zwei Monaten Verspätung an Göschen. Die Gesellschaft meiner Freunde wollte ich nicht missen, also litt meine Arbeit darunter, da ich mich schlecht von ihnen losreißen konnte.
 
In Leipzig gehörte Körner seit 1777 der Freimaurerloge „Minerva zu den drei Palmen“ an. Bereits während unseres gemeinsamen Aufenthaltes in Gohlis hatte er eines Tages die Bitte an mich herangetragen, für die Tafel der Loge eine Ode zu dichten. Ich hatte sie zu seiner Hochzeit teilweise fertiggestellt und vollendete sie schließlich in Dresden. Der Hymnus An die Freude, der die Beziehung des Menschen zu einer göttlichen Ordnung beschreibt und von Freundesliebe, Gattenliebe und Weltbruderkette erzählt, wurde von Göschen am 23. Februar 1786 in der Thalia gedruckt.
 
Im Hause meines Freundes wurde das eheliche Glück durch eine Schwangerschaft Minnas gekrönt. Der Juli näherte sich dem Ende und am Morgen des 24. setzten erste Wehen ein. Körner hatte mich darum gebeten die Patenschaft zu übernehmen.
 
Obwohl es natürlich eine große Ehre für mich war, überstiegen die Vorbereitungen meine Finanzen wieder einmal erheblich, denn ich musste mir neue Festkleidung anschaffen, um meinen Degen dazu tragen zu können.

Das Geld lieh ich mir, und Minna wurde ein paar Tage später von ihrem Sohn Eduard entbunden. Doch das Glück war nicht von Dauer, denn bereits am 10. Dezember 1786 starb das Kind an einer Erkrankung, die mit Fieber, Ausschlag und anschließendem Krampfhusten einherging. Die Situation war für alle schrecklich, aber Minna litt natürlich am Meisten, zumal sie nun auch noch die Qual hatte, so schnell wie möglich abzustillen.
 
Minna erholte sich langsam aber stetig, und gegen Ende Dezember ging es ihr deutlich besser. Die Ehe der Körners blieb später nicht kinderlos. Emma kam zwei Jahre darauf zur Welt, und Theodor folgte im Jahre 1791. Leider hatte das Schicksal für die Bedauernswerten vorgesehen, dass sie alle ihre Kinder überleben sollten. Ihr Sohn wurde bei einem Gefecht gegen die napoleonischen Truppen im Jahre 1813 von einer Gewehrkugel tödlich getroffen. Als Emma 1815 an den Masern starb, zog Körner mit seiner Frau in tiefster Resignation nach Berlin, wo er als Staatsrat seine Dienste verrichtete.
 
 
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