Fertigstellung des Wilhelm Tell
Nach einigen Tagen Zwangspause konnte ich am 23. Januar 1804 die beiden ersten Akte des Wilhelm Tells an Iffland nach Berlin schicken. Der Schweizer Historiker Johannes von Müller, der sich auf Besuch in Weimar befand und anschließend nach Berlin weiterreiste, konnte mir Anfang Februar die historischen Hintergründe des Tell-Mythos erläutern und nahm den 3. Akt und Teile des 4. mit nach Berlin, um sie zu Iffland zu bringen.
Wilhelm Tell aus der Schiller-Galerie, Stahlstich von Raab nach Pecht, um 1859. Quelle: Wikipedia
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Am 18. Februar 1804 konnte ich meine Arbeit am
Tell abschließen. Es folgten Lesungen vor Madame de Staël und Benjamin Constant, und bereits am 1. März fanden sich die Schauspieler zu ersten Leseproben im Hause Goethes ein, da mich meine Krankheit an einer Teilnahme hinderte. Weitere Proben am Theater folgten, und der
Tell konnte bereits am 17. März 1804 in Weimar uraufgeführt werden, ohne dass ich bei der Aufführung zugegen sein konnte, da es mein Gesundheitszustand nicht zuließ. Unzählige Fremde waren herbeigeströmt, so dass bereits nachmittags der Platz vor dem Theater voll war. Die Vorstellung begann um ½ 6 Uhr abends und endete um 11 Uhr. Am 19. März folgte eine weitere Inszenierung, und ich fühlte durch den Erfolg meines Dramas, das einen größeren Effekt als meine anderen Stücke hatte, wie sehr ich bereits das theatralische Fach beherrschte.
Nachdem mein
Wilhelm Tell in Weimar zum größten Bühnenerfolg wurde, begann das zeitaufwendige Anschreiben der einzelnen Theater, denen ich das Stück ebenfalls anbot. Nur wenige Monate bedurfte es, bis es in aller Munde war, und es wurde noch im selben Jahr auf den Bühnen in Berlin, Mannheim, Breslau, Hamburg, Bremen, Magdeburg und Braunschweig mit größtem Erfolg aufgeführt.
In vier Teilen schickte ich mein Manuskript im Mai und Juni an Cotta, der es pünktlich zur Herbstmesse publizierte.
So sehr Iffland das Stück in höchsten Tönen lobte, war er sich auch der politischen Brisanz des Stückes bewusst, weil es als Befreiungsdrama einen unüberhörbaren Aufruf zum Widerstand gegen politisches Unrecht enthielt.
Da es wie
Die Räuber einen den Pöbel aufwiegelnden Charakter hatte, kamen ihm arge Bedenken, weil die Thematik die politische Aktualität unterstrich, da Napoleon bereits seit den Jahren 1797/98 die Schweiz besetzt hielt. Deshalb hatte ich, nach Absprache mit Goethe, für die Uraufführung in Weimar den kompletten 5. Akt gestrichen, um die Anstößigkeit des dort dargestellten Kaisermordes zu umgehen.
Um letzte Bedenken aus dem Weg zu räumen schickte Iffland seinen Sekretär und Vertrauten Michael Rudolph Pauly in geheimer Mission, als angeblich Privatreisenden mit einem Fragebogen Ifflands zu mir nach Weimar.
Alle bedenklichen Stellen meines Manuskriptes wurden erläutert und wenn nötig, entschärft, und Pauly kehrt wenig später mit den Änderungen nach Berlin zurück.
Trotz meines Erfolges und des zunehmenden Ruhmes, wuchs in mir eine Ungeduld, die es mir mit jedem neuen Tag schwerer machte, in Weimar zu bleiben. Vieles hier hatte sich verändert, so auch die Beziehung zu Goethe, die mich einst bewog, hierher zu ziehen, denn das Verhältnis zu ihm war längst ein distanzierteres geworden. Er hatte sich zurückgezogen und seine poetischen Gedanken lagen brach. Ich sah es als meine Bestimmung an, für die größere Welt zu schreiben, er hingegen meinte, was er zu tun hätte, könne er ebenso gut unterlassen. So blieb die Inszenierung des
Tells unsere letzte gemeinsame Arbeit.
Ein Ortswechsel spukte durch meinen unruhigen Geist; nur der Name meines gewählten Zieles war noch zu bestimmen. Ich glaubte daran, gute Aussichten im süddeutschen Raum zu haben und hoffte meine Verbindung zum Erzkanzler Dalberg in Aschaffenburg doch noch festigen zu können. Ich hatte Dalberg darum gebeten, ihm meinen Tell offiziell widmen zu dürfen. Doch im Juli 1804 schrieb er mir, dass ich für meine Zukunftspläne nicht mehr, als seine diskrete Unterstützung in Betracht ziehen könnte.
Auf meine hiesigen festen Bezüge konnte ich verzichten, weil es in Weimar teurer war als anderenorts, und mit 1500 Talern konnte ich in Schwaben oder am Rhein ganz gut leben. Überall war es besser als hier. Wenn es meine Gesundheit erlaubte, würde ich mit Freuden Richtung Norden ziehen. Auf gar keinen Fall wollte ich in Weimar sterben!
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