Besuche und Liebe

Wir hatten abgesprochen, dass Charlotte und Karoline im August ebenfalls nach Jena reisen sollten, um die Körners und Dora Stock kennen zu lernen.
Mein Freund Körner wusste von alledem noch nichts, und ich scheute mich insgeheim davor, ihm reinen Wein einzuschenken, da er stets befürchtete, dass ich mich an irgendein Weibstück verplempern würde. Die Ausmaße meines Verliebtseins waren ihm ja zur Genüge bekannt, so war seine Furcht, dass ich wieder einmal die Kontrolle verlieren könnte, durchaus berechtigt.
Körner hatte mir zwischenzeitlich mitgeteilt, dass er während seines Besuches bei mir wohnen würde. In Weimar wollte er bei Wieland und Charlotte von Kalb vorstellig werden, die er bisher nur aus Briefen kannte.
Während eines größeren Essens bei Griesbachs lernte ich auch Alexander von Kalb kennen, der auf Kalbsrieth lebte, und im Laufe der Woche erschien Charlotte von Kalb in Jena und besuchte Knebel gemeinsam mit mir und Griesbach im Schloss. Ich bemühte mich, ungezwungen zu wirken und war froh, als der Besuch beendet war.
Ich freute mich auf einen ganz anderen, denn am 10. Juli trafen Lotte und Karoline in Jena bei Griesbachs ein und übernachteten in deren Gartenhaus. An diesem Abend soupierten sie in Gesellschaft mit Knebel im Gasthaus „Zur Rose“, wo später auch Goethe hinzukam. Leider wurde ich ziemlich lange abgehalten, dieser Gesellschaft beiwohnen zu können, und unser Wiedersehen fiel entsprechend kurz aus. Meine Freundinnen befanden sich auf der Durchreise nach Bad Lauchstädt, wo sie gemeinsam mit Karoline von Dacheröden eine Badekur antreten wollten.
Die gewohnte Herzlichkeit verband uns, doch je mehr ich gezwungenermaßen versuchte, die Grenzen der Freundschaft zu wahren, umso größer wurden meine Gefühle, und umso schwerer fiel es mir, sie zu unterdrücken. Viel lieber hätte ich sie aus mir hinaus geschrieen, doch ich musste schon froh sein, Karoline und Lotte überhaupt sehen zu dürfen. Aus dem Spiel wurde ein Traum, und wir träumten ihn zu Dritt. Ich hatte der einen genauso viel zu sagen, wie der anderen! Doch ließen es unsere Verhältnisse nicht zu, dass wir einander näher kamen.
Karoline war verheiratet und Lotte, was sollte sie mit einem armen Bürgerlichen, wie ich es war, überhaupt anfangen?! Obwohl eine außergewöhnliche Harmonie zwischen uns herrschte, und wir uns in allem prachtvoll zu ergänzen schienen, lagen Welten zwischen uns. So nah und doch so fern!
Wie gerne hätte ich beide nach Bad Lauchstädt begleitet. Sie verstanden meine Seele!
Hier in Jena fühlte ich mich, wie schon so oft vorher, an eine fremde Küste verschlagen, in ein Land, dessen Sprache ich nicht verstand. Hier hatte ich keine wirklichen Freunde. Meinem Herzen fehlte es an Zuwendung und an beseelender Berührung. Kein noch so edler Gegenstand konnte mir das ersetzen.
Karoline und Lotte, beide waren liebenswerte Geschöpfe, an denen ich von ganzem Herzen hing. Doch waren beide vom Charakter her sehr verschieden. Karoline, die Reifere von beiden, war ein sinnliches Vollblutweib, die meine männlichen Saiten zum Klingen brachte. Sie war eine verblüffend gebildete und interessante Frau, hatte ihren eigenen Kopf und wusste genau was sie wollte oder auch nicht. Lotte hingegen war noch recht kindlich in ihrer Entwicklung und wirkte oft sehr unterkühlt und unnahbar. Doch sie war sehr lieb – eine stille, sanfte Seele, die sich noch formen ließ und die bereit war, ihr Leben um das meine herum zu weben. Sie wäre dazu in der Lage, mir die Ruhe und Harmonie zu geben, nach der ich mich letztendlich schon so lange sehnte. Außerdem könnte ich endlich ein weibliches Wesen zu „meiner“ Frau machen. Da ich bei Lotte nie wusste woran ich war, fehlte mir bisher der Mut, dies alles auszusprechen.
Doch ein Engel kam mir zur Hilfe und ebnete mir den Weg in den siebenten Himmel.
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