Seit meinem Umzug nach Weimar hatte der tägliche Gedankenaustausch mit Goethe merklich abgenommen. Zu oft hielt er sich nun in der Einsamkeit des Jenaer Schlosses auf, da er in Weimar keine Ruhe für seine Arbeit finden konnte und ihn dort seine eigenen häuslichen Kreise drückten. Ich dagegen saß in meiner lauten, neuen Stadtwohnung in Weimar, die in mir kein Gefühl eines Zuhauses aufkommen ließ.
Mittlerweile war mein Name in aller Munde und manchmal, wenn durchreisende Unbekannte ohne Anmeldung in mein Haus kamen, um mich, den „kranken, berühmten Dichter“ zu begaffen, reagierte ich sehr ungehalten, und bat Lotte und das Personal, solche Leute mit barschen Worten fortzuschicken.
Karl und Karoline plagte eine Erkältung und auch Lotte fühlte sich nicht wohl. Da ich wegen der großen Unruhe nicht richtig arbeiten konnte, wich ich für kurze Zeit in ein Quartier nach Oberweimar aus, das ich am 14. August 1800 bezog. Die Hitze blockierte meine Gedanken, und Goethe fuhr mich des Abends in seiner Kutsche spazieren. Danach aßen wir draußen in seinem Garten unter den Bäumen.
Der Zufall wollte es, dass ich in meinem neuen Oberweimarer Quartier die ganze Nacht wegen des Geschreis auf der Straße nicht schlafen konnte, denn genau im Hause gegenüber wurde einer Braut ein Ständchen gebracht, und am anderen Morgen lautstark und umständlich deren Aussteuer auf einen Wagen geladen. Ich war aus der Stadt geflüchtet, um einsam zu sein und ausgerechnet hier, mitten in eine Bauernhochzeit auf dem Lande geraten. Schon bald zog ich zurück in unsere Stadtwohnung.
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