Jungfrau unter dem Panzer
Da Wilhelm von Wolzogen am 8. April 1801 in Begleitung des Ministers Voigt nach Sankt Petersburg gereist war, um Verhandlungen über die Vermählung des weimarischen Erbprinzen Karl Friedrich mit der Zarentochter Maria Pawlowna zu führen, wurde er zwischenzeitlich von seiner Frau vertreten.
Deshalb wandte sich der Herzog an meine Schwägerin und ließ mir über sie mitteilen, dass er Einsichtnahme in mein Manuskript wünsche. Erschreckt hätte er gehört, welches anstößige Sujet ich geschaffen habe und vermutete, dass es der abfälligen Voltaire Parodie, die viele schlüpfrige Stellen enthielt, ähnlich sei. Voltaires Heldengedicht war bei Hofe derart beliebt, dass es dort viele Leute gab, die es auswendig kannten. Es war ein offenes Geheimnis, dass am Weimarer Theater fast alle weiblichen Hauptrollen mit Karoline Jagemann besetzt wurden, weil diese als Mätresse des Herzogs alle Vorzüge genoss. Der Herzog glaubte nun, dass man versucht sein könnte, diese mit der Rolle der „Jungfrau unter dem Panzer“ lächerlich zu machen. Erst nachdem der Herzog mein Werk gelesen hatte, wurden seine Bedenken geringer. Er lobte zwar den künstlerischen Wert meiner Arbeit, hielt aber die Aufführung eines solchen „Unternehmens seltener Art“ – wie er meine
Jungfrau von Orleans bezeichnete, am Hoftheater trotzdem für nicht ratsam. Daraufhin verzichtete ich freiwillig auf die Inszenierung des Stückes in Weimar und zog es zurück.
Cotta, der auf dem Wege zur Leipziger Messe war, hatte mich am 26. April besucht und mich inmitten der Bühnenbearbeitung des Stückes „Nathan der Weise“ von Lessing überrascht. Ich schickte es sofort mit der Rollenverteilung an Goethe.
Goethe hatte mich gebeten, stellvertretend für ihn eine Leseprobe abzuhalten, doch ich wollte mit den Schauspielern nichts mehr zu schaffen haben, bei denen man trotz vernünftiger Erklärungen und Entgegenkommen immer wieder auf taube Ohren stieß, weil sie anscheinend einer Befehlsform bedurften, die ich nicht auszuüben hatte.
Ich fühlte mich von Goethe alleine gelassen, denn wo er mir einerseits eine gewisse Entscheidungsfreiheit ließ, drohte ich andererseits wieder in ein mir verborgenes Messer zu laufen, wie im Falle der Jagemann. Mit Unmut über die gefährliche Entwicklung des Weimarer Theaters entschied ich mich im ersten Moment der Enttäuschung, meine Tragödie vorerst nicht auf die Bühne zu bringen. Im Oktober sollte sie zuerst über Unger publiziert werden, und dann erst wollte ich über das Für und Wider einer Inszenierung entscheiden. Doch als schließlich verschiedene Theateranfragen vorlagen, änderte ich meinen Entschluss.
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